Ein Coder sitzt neben einer freiberuflichen Grafikerin, ein selbstständiger Online-Marketer gegenüber einer Unternehmensberaterin. Der eine ist nur für ein paar Stunden da, die andere mehrere Monate. Untertags teilen sie sich den Drucker und den Beamer im Meetingraum, zwischendurch holen sie sich einen Kaffee beim hauseigenen Barista und nach Feierabend treffen sie sich zum Netzwerken in der Küche auf ein Bier.
So hat sich Co-Working von den USA ausgehend in vielen Großstädten etabliert. In den letzten Jahren sind auch in Österreichs Ballungsräumen mehrere Co-Working-Spaces entstanden. Das Angebot reicht von großen Officelösungen international agierender Konzerne bis hin zu branchenspezifischen Kleinbüros. Die Coronakrise hat die Anbieter unterschiedlich getroffen.
„Lockdown und Homeoffice sind natürlich schlecht für den Community-Gedanken eines Co-Working-Spaces. Vor allem die Start-up- und Innovations-Szene hat zunächst sehr gelitten“, sagt Raphael Jochmann. Er leitet in Wien den Talent Garden, der 5.000 Quadratmeter Arbeitsraum bietet und zu einer gleichnamigen italienischen Kette gehört. Aufgrund seiner Größe hatte das Büro auch während der Lockdowns geöffnet. Das Vertrauen bestehender Kunden habe man durch weitreichende Hygienemaßnahmen nicht verloren, sagt Jochmann.
Das kann auch Wolfgang Bretschko bestätigen, der in Wien und Graz die Co-Working-Cafés Cocoquadrat betreibt: „Wir hatten während der ersten beiden Lockdowns geschlossen, dazwischen war die Nachfrage aber absolut da. Die Leute wollten raus aus dem Homeoffice und haben ein professionelles Umfeld gesucht.“ Ab Herbst wurde die Situation aufgrund der Schließung des Gastrobereiches wieder schwieriger, derzeit sind beide Standorte etwa zur Hälfte ausgelastet. Bald möchte man wieder voll durchstarten.
Internationale Anbieter, die große Flächen betreiben, zögern aufgrund der Krise derzeit mit einem Ausbau ihres Angebots. Das Unternehmen Regus, das in Wien und Graz über 20 Standorte betreibt, hat in diesem Jahr den Bezug eines großen Büros am Wiener Schottentor abgesagt. Der US-Konzern We Work plant nach zwischenzeitlicher Suche derzeit keinen Standort in Österreich.
Ländlicher Raum und Wohngebiete rücken in den Fokus
Dass sich mittel- und langfristig der Trend zum Co-Working weiter verstärken wird, ist für bestehende Anbieter aber klar. „Flexibilität ist nicht wie bisher nur bei Start-ups oder Ein-Personen-Unternehmen ein Thema, sondern jetzt auch bei größeren Firmen. Viele erkennen, dass sie gar kein großes, teures Büro mehr brauchen, sondern nur mehr einen Platz, an dem man sich zwei oder drei Mal pro Woche trifft. Der Rest wird von zuhause aus erledigt. Die Krise hat diesen Prozess mit Sicherheit beschleunigt“, meint Raphael Jochmann vom Talent Garden.
Auch Marcus Weixelberger ist sich sicher, dass am heimischen Markt noch reichlich Platz für neue Co-Working-Betreiber ist. Er hat vor drei Jahren in Wien den Anbieter andys.cc gegründet, aus dem in den nächsten Jahren in ganz Österreich ein Netzwerk an Co-Working-Spaces entstehen soll. „Unser Ziel ist es, eine Art Starbucks für Arbeitsplätze in einem preislich vernünftigen Segment zu werden.“ Und das nicht nur in reinen Gewerbeimmobilien. „An uns treten Projektentwickler heran, die uns auch in einer Wohnungsanlage Räume anbieten. Man merkt, dass Wohnen und Arbeiten immer stärker zusammenwächst“, so Weixelberger.
Flexible Büroangebote werden sich in den nächsten Jahren auch nicht mehr auf den urbanen Raum beschränken, glaubt Cocoquadrat-Gründer Bretschko. „Wir werden vermehrt im ländlichen Raum Standorte sehen, an denen Menschen für ein paar Stunden arbeiten können, ohne lange Wege in die Stadt zu fahren.“ Entsprechende Projekte mit angehängtem Gastrokonzept habe er bereits in Planung.
Andreas Terler