Ist Bitcoin die "Mutter des Betrugs", wie US-Starökonom Nouriel Roubini warnt - oder doch das Geld der Zukunft? Fraglos ist die wichtigste Kryptowährung auf dem Weg in die Mitte der Anlegergesellschaft. Nicht nur erlebt Bitcoin seit Monaten einen sagenhaften Höhenflug (mit herben Rückschlägen), es springen auch mehr und mehr professionelle Anleger auf den Zug auf. Elon Musk hat mit seinem Investment von 1,5 Milliarden Euro viel zur Salonfähigkeit beigetragen, dazu kommt, dass der Zahlungsdienst Paypal Cyberdevisen als Zahlungsmittel akzeptieren will und Kreditkartenanbieter wie Mastercard und Visa dies ebenfalls planen. Auch das ökonomische Umfeld mit der ultralockeren Geldpolitik, dem Nullzins und der Angst vor einer stark steigenden Inflation spielt dem Bitcoin in die Hände.
"Ja, Bitcoin ist eine ernstzunehmende Anlegerklasse geworden", sagt Nikolaus Jilch, Krypto-Experte der liberalen Denkfabrik Agenda Austria, und fügt gleich hinzu: "Das ist keine Kaufempfehlung." Denn Bitcoin (und alle anderen Cyberwährungen) sind Anlageformen "völlig ohne Sicherheitsnetz", also hoch spekulativ.
Verschwindet Bitcoin wieder?
Dennoch hat sich die Agenda eingehend mit dem Phänomen befasst und eine eigene Studie erstellt. Die Frage, die die Autoren Jilch, Heike Lehner und Gerhard Reitschuler vor allem zu beantworten versuchten, war jene nach der Zukunft des Bitcoin. Dafür hat man drei Szenarien entworfen.
Szenario eins: Bitcoin verschwindet in der Bedeutungslosigkeit. Das scheint nicht sehr wahrscheinlich, ist aber auch nicht ganz auszuschließen. Eine Möglichkeit wäre, dass der Kryptosektor "von innen implodiert, weil er zu viel kriminelle Energie angezogen hat". Ein Preiskollaps wäre allerdings ein völliger Bruch mit dem vorherrschenden Trend.Staatliche Eingriffe, wie sie China versucht hat, sind bis jetzt gescheitert, Jilch geht aber davon aus, dass weitere folgen werden - dann, "wenn Staaten ihr Währungsmonopol gefährdet sehen". Einen Grund für staatliche Aktivitäten sieht Jilch freilich nicht.
Wird Bitcoin der neue Geldstandard?
Szenario zwei: Bitcoin wird zu einer Anlageklasse von vielen. Diese Entwicklung hält die Studie mittelfristig für die wahrscheinlichste. Denn nicht nur drängen "respektable Anbieter aus dem institutionellen Finanzbereich auf den Markt", es wachse auch die Infrastruktur rund um Bitcoin. In Österreich entstanden in Summe bereis 400 bis 500 Jobs, die meisten durch die Bitcoin-App und Börse Bitpanda. Österreichische Sparer sind zwar traditionell kapitalmarktscheu, Bitcoin komme bei jüngeren Menschen unter 35 Jahren aber besser an als etwa Aktien oder Gold, zitiert Jilch einschlägige Umfragen. "Das ist eine Untergruppe junger Anleger, die sehr aufgeschlossen ist. Bitcoin sollte aber keinesfalls das einzige Investment sein."
Szenario drei: Bitcoin wird zum monetären Standard. Das würde etwa bedeuten, dass die Kryptowährung für das Geldsystem ähnlich disruptiv wäre, wie es Netflix für Videotheken oder das iPhone für Nokia war. Das ist allerdings jenes Szenario, in dem "Ökonomielehrbücher wirklich neu geschrieben werden müssen, denn das gesamte globale Geld- und Finanzsystem würde neu ausgerichtet werden", heißt es in der Agenda-Studie. Jeder Mensch auf der Welt wäre direkt oder indirekt Bitcoin-Nutzer. Und der Preis? "Würde eine heute unvorstellbare Höhe erreichen."
Riskante Anlage: Tipps für Einsteiger
Mehr als einmal verweist die Agenda auf das enorme Risiko, das ein Investment in Bitcoin mit sich bringt. Dennoch wuchs mit der jüngsten Kursrally das Interesse daran sehr stark. Was rät Jilch Einsteigern?
Eine solide Information, "man muss sich einlesen, dafür gibt es eine Reihe von Büchern. Verlässlich ist auch die Seite von Bitcoin Austria", sagt Jilch. Der Verein zur Förderung der Verbreitung von Bitcoin existiert seit zehn Jahren und begreift sich als Drehscheibe für den Austausch von Experten und Informationen. Hingegen warnt Jilch vor Tipps, die sich über WhatsApp oder Telegramm verbreiten, "auch bei Youtube ist extreme Vorsicht angebracht." Eindrücklich warnt Jilch außerdem vor dem irrigen Motiv, mit Bitcoin zu "schnellem Reichtum" zu kommen.
Aus österreichischer Sicht gibt es für Anfänger die heimischen HandelsplätzeBitpanda (gegründet 2014, Sitz in Wien) oder Coinfinity (gegründet 2014, Sitz in Graz). Die größte US-Handelsplattform Coinbase hat indes bereits die Weichen für den Börsengang gestellt (wo die Aktien des Unternehmens allerdings in traditionellen US-Dollars gehandelt werden).
Bitcoins und Steuern
Steuerlich werden Bitcoins in Österreich derzeit behandelt wie Gold. Der Tausch von Euro zu Bitcoin ist nach Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes derzeit umsatzsteuerfrei. Gewinne aus dem Verkauf von Bitcoins sind steuerpflichtig, wenn die Cyberwährung weniger als ein Jahr behalten wurde. Sie gelten dann als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften, die Freigrenze pro Kalenderjahr beträgt 440 Euro, bei lohnsteuerpflichtigen Einkünften ist ein Freibetrag von 730 Euro möglich.