Eine der Zukunftshoffnungen der ÖBB nimmt Formen an: Der erste Wagen der völlig neuen Nightjet-Generation wurde am Dienstag in Wien-Simmering vorgestellt. Ab Ende 2022 sollen vorerst 13 siebenteilige Nachtzüge, die Siemens in Simmering baut, in den Betrieb gehen.
Sowohl die ÖBB als auch Siemens Mobility knüpfen hohe Erwartungen an die Neuentwicklung, an der das Siemens-Kompetenzzentrum für Drehgestelle in Graz und die TU Graz wesentlichen Anteil haben. Sie entwickelten in zwei Jahren ein völlig neues Drehgestell, das durch 40 Prozent weniger Gewicht deutlich weniger verschleißanfällig und viel geräuschärmer ist – sowohl für die Reisenden als auch für Anrainer. „Das ist Pionierarbeit, die wir hier geleistet haben“, so Siemens Mobility-Chef Michael Peter zur Kleinen Zeitung.

ÖBB-Boss Andreas Matthä, Michael Peter (CEO, Siemens Mobility), Ministerin Leonore Gewessler
ÖBB-Boss Andreas Matthä, Michael Peter (CEO, Siemens Mobility), Ministerin Leonore Gewessler © ÖBB/(c) Marek Knopp

Für den Fahrgast dürften noch andere Aspekte spannend sein: Durch speziell beschichtete Fenster soll der Handyempfang deutlich besser funktionieren. Die neuen Nachtzüge bestehen aus Sitz-, Liege- und Schlafwagen. Was sie besonders attraktiv machen soll – modulares Innendesign speziell in den Liegewagen, das jedem Fahrgast eine eigene Kapsel mit individuell einstellbarer Klimaanlage bieten wird, Peter spricht gar von „Wohlfühloasen“ –, war am Dienstag noch nicht zu sehen. Ab Jahresende werden die Züge erst umfangreichen Tests unterzogen. Sie müssen auch in jedem Land eigens zugelassen werden.

PRÄSENTATION ÖBB NIGHTJETS DER NEUEN GENERATION
PRÄSENTATION ÖBB NIGHTJETS DER NEUEN GENERATION © (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)

Die ÖBB wollen sofort nach der Corona-Pandemie mit der Umsetzung ihrer ehrgeizigen Pläne für ein Nachtzug-Netz in Europa beginnen und ihre Rolle als Marktführer ausbauen. Ende 2020 wurden dafür wie berichtet die deutsche DB, die Schweizer SBB und die französische SNCF als Kooperationspartner gewonnen. „Wir können dann hoffentlich ein Feuerwerk abbrennen“, so ÖBB-Chef Matthä. Ziel ist, ein alternatives Angebot insbesondere zu Kurzstreckenflügen anzubieten. Vorerst hat die Pandemie der Bahn einen Strich durch die Rechnung gemacht, so blieb die neue Route Amsterdam noch auf der Strecke. Bis 2024 sollen die Ziele von 19 auf 26 aufgestockt werden.

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Der nächste Folgeauftrag über 20 weitere Nachtzüge ist fast schon auf Schiene. „Ich habe den Kugelschreiber eingesteckt“, scherzte Michael Peter. Für die ersten 13 Nachtzüge sowie acht normale Railjets zahlt die Bahn 375 Millionen Euro. Sie sind der Auftakt eines umfangreichen Rahmenvertrags, den die ÖBB 2018 mit Siemens unterzeichnet hat, um das Zugmaterial in großem Stil zu erneuern. Insgesamt umfasst er bis zu 700 Wageneinheiten, rund 100 Züge. Laut Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) sind aktuell 500 Millionen Euro für die neuen Bestellungen abrufbar.

In Graz werden die Aufträge für eine längerfristig volle Auslastung sorgen. Aktuell werden auch 20 Lehrlinge gesucht, beton Michael Peter. Er geht für Siemens Mobility in den nächsten Jahren aufgrund der ehrgeizigen EU-Klimaziele und angepassten Pläne der Bahnen von deutlichem Wachstum aus.