Wer am Computer gerne Fotos oder Videos bearbeitet, kennt das Problem: Wenn Objekte oder Personen nicht ins Bild passen oder man sie vor einem anderen Hintergrund platzieren möchte, braucht man eine Software mit entsprechendem Ausschneide-Werkzeug.
Für ein sauberes Ergebnis ist zudem eine ruhige Hand und ausreichend Zeit vonnöten. Auch professionelle Bildbearbeiter brauchen oft mehrere Minuten, um den Vordergrund vom Hintergrund eines Fotos zu trennen. Genau diesem Problem widmeten sich vor drei Jahren Benjamin Grössing und David Fankhauser in ihrer Wiener Digitalagentur byteq.
Herausgekommen ist mit “Remove.bg” ein Produkt, das mithilfe von Künstlicher Intelligenz vollautomatisch und punktgenau Hintergründe in Fotos entfernen kann. Binnen kurzer Zeit gewann das Tool tausende neue Kunden, in weiterer Folge gründeten Grössing und Fankhauser ihr Start-up Kaleido AI.
2020 brachten sie mit “Unscreen” ein zweites Tool auf den Markt, das Menschen und Objekte in Videos mit einem Klick freistellt. Mittlerweile zählt die Firma mit beiden Tools rund 20 Millionen monatliche Nutzer. Pro Monat werden mit der Software von Kaleido AI mehr als 100 Millionen Hintergründe aus Fotos und Videos entfernt. Zu den bekanntestenKunden gehören unter anderem Weltmarken wie Alibaba, Samsung oder die New York Times.
Wie wertvoll das Geschäft mit Foto- und Videobearbeitungssoftware ist, zeigt der nun über die Bühne gegangene Verkauf des Start-ups. Das australische Unternehmen Canva hat Kaleido AI Mitte Februar zu hundert Prozent übernommen. Die Unternehmen bezeichnen den Deal als “einen der größten Exits der österreichischen Start-up-Geschichte”.
Verkauf war eigentlich nicht geplant
Zu den teuersten Verkäufen zählte in den letzten Jahren die Lauf-App Runtastic, die 2015 für 220 Millionen Euro von Adidas übernommen wurde. Im selben Jahr wurde die Kleinanzeigen-App Shpock für rund 200 Millionen Euro an den norwegischen Medienkonzern Schibsted verkauft. Die Übernahme der Diabetes-Plattform MySugr durch den Pharmariesen Roche kam 2017 ebenfalls auf kolportierte 200 Millionen Euro. Um welche Summe Kaleido AI verkauft wurde, wird offiziell nicht genannt. Die Rede ist von zumindest einem hohen zweistelligen Millionenbetrag.
Auf externe Investoren hat das Start-up von Beginn an verzichtet, ein Verkauf sei auch nicht unbedingt geplant gewesen. ”Wir haben lediglich gesagt, dass wir Visual AI für eine möglichst breite Masse zugänglich machen wollen. Schlussendlich haben wir uns aber dazu entschieden, dass Canva dafür der beste Partner ist”, so Gründer Fankhauser gegenüber der Start-up-Plattform “Der Brutkasten”.
Die neue australische Mutterfirma von Kaleido AI, deren Software für das Erstellen von Designs und Grafiken für Marketing und Social Media verwendet wird, verfolge dieselbe Mission, “komplexe Dinge einfach zu gestalten”. Durch die Zusammenarbeit erhofft man sich eine Beschleunigung in Sachen Innovation und Weiterentwicklung.
Auch der Standort Wien wolle man durch die Übernahme nicht verlassen – im Gegenteil. Bis Jahresende soll die Belegschaft in der Bundeshauptstadt mehr als verdoppelt werden. Derzeit sind über 30 Stellen ausgeschrieben. Und auch ein neues Büro wurde bereits bezogen.
Andreas Terler