Erst die Großinvestition von hundert Millionen in Frohnleiten, dann die Übernahme der finnischen Kotka Mills um 425 Millionen Euro und jetzt der Kauf der polnischen Karton-, Papier- und Zellstofffabrik in Kwidzyn bei Danzig um rund 700 Millionen Euro: Nur zehn Wochen sind vergangen von der ersten guten Nachricht für die Steiermark bis zum jüngsten und wohl auch wichtigsten Zukauf seit Jahren.
Der bisher fast ausschließlich auf Recycling-Karton spezialisierte Hersteller platziert sich damit in kürzester Zeit in einer neuen Liga. Jetzt kann er auch in richtig großen Mengen Karton etwa für Lebensmittel auf Basis frischer Zellulosefasern liefern.
Dem Plan, damit massiv Marktanteile zu gewinnen und möglichst schnell Plastikverpackungen bei Consumer-Produkten zu verdrängen, steht damit fast nichts mehr im Weg. Die EU-Wettbewerbsbehörden müssen den Kauf in Finnland und natürlich auch diese Kwidzyn-Übernahme prüfen. Im Sommer beziehungsweise im Herbst wird mit den Entscheidungen in Brüssel gerechnet.
400.000 Tonnen Jahreskapazität
Der riesige Fabrikkomplex in Polen verfügt mit 400.000 Tonnen Jahreskapazität über eine große Zellstoffproduktion sowie vier Karton- und Papiermaschinen –und sie produziert sich ihren gesamten Strom selbst. Herzstück ist eine Kartonmaschine mit 260.000 Tonnen Kapazität.
Kwidzyn produziert aber auch auf zwei Maschinen Kopierpapier. Mit diesen 410.000 Tonnen Kapazität und der kostengünstigen Herstellung hält Mayr-Melnhof-Chef Peter Oswald sie für die attraktivsten Maschinen Europas. Zudem wurde erst kürzlich eine weitere Maschine auf Kraftpapiere umgestellt, die für Sackerln oder flexible Papierverpackungen gebraucht werden.
2300 Mitarbeiter, 670 Millionen Euro Umsatz
Unterschrieben wurde der Deal Freitagfrüh. Verkäufer ist der US-Gigant International Paper. Peter Oswald ist danach sichtlich stolz. So massiv in den Frischfaserbereich zu gehen, eröffne ganz neue Wachstums-chancen, sagt er etwas später in einer Telefonkonferenz. „Wir haben lange daran gearbeitet und sind sehr glücklich.“ Immerhin hat der Konzern mit Kotka in Finnland nicht nur den Einstieg in die Frischfaser geschafft, mit dem Zukauf in Polen wird dieses Standbein demnächst sogar nahezu gleich groß wie das angestammte Geschäft mit Recycling-Karton.
Kwidzyn macht mit 2300 Mitarbeitern 670 Millionen Euro Umsatz und 92 Millionen Euro Gewinn vor Steuern und Abschreibungen. Das Unternehmen werde direkt für Erträge sorgen. „Es besteht auch keine Notwendigkeit für größere Investitionen“, so Oswald, wenngleich es eine Reihe von Projekten gebe. Finanziert wird der Kauf über Schuldscheindarlehen, die Investoren zeichnen.
Claudia Haase