Durch die Pandemie sind Ihnen 80 Prozent des Do&Co-Geschäfts kollabiert . . .
ATTILA DOGUDAN: Binnen einer einzigen Woche . . .
Trotzdem wirken Sie wie ein unerschütterlicher Optimist.
Ich bin das Gegenteil, extrem vorsichtig, habe immer im Kopf, dass man auch im Worst Case alles abfedern muss.
Hatten Sie Angst, dass Do&Co zusammenkrachen könnte?
Natürlich. Ich glaube, es gibt niemanden, der in einer solchen Situation keine Existenzängste hat. Scheitern aus Blödheit ist ein Format, aber auch wenn man nichts dafür kann, ist der Effekt der gleiche. Ich bin ja sehr flugaffin, es ist wie bei Schlechtwetter. Man hat keine andere Wahl, als hoch konzentriert wie ein Pilot Entscheidungen zu treffen. Wir haben noch vor dem ersten Lockdown vor einem Jahr weltweit die Kosten heruntergefahren. Ich habe Wikipedia gelesen und sofort gedacht, das Ding ist nicht in ein paar Monaten vorbei. Das dauert zwei Jahre, die Grafik hat drei Höcker. Die dritte Welle, die kriegen wir noch. Danach haben wir uns ausgerichtet. Die Frage, wie viel Cash ist da, geteilt durch den Cash Burn pro Monat ergibt die Lebensdauer.
Auf wie viele Monate Lebensdauer sind sie gekommen? Ohne die 100 Millionen Euro aus der gerade platzierten Wandelanleihe. Wie groß war der Stein, der Ihnen da jetzt vom Herzen gefallen ist?
Es wäre auch so gegangen. Dieses neue Geld ist für´s Wachstum. Wir haben genug Liquidität am Konto. Die Frage war, ob man sie verwenden darf, um die im März fällige Anleihe zurückzuzahlen. Die wollten wir auf keinen Fall platzen lassen, man hätte sie theoretisch verschieben können, aber wenn wir etwas versprechen, halten wir es auch. Jetzt haben wir 100 Millionen zusätzlich mit einem Zinssatz von 1,75 Prozent, wo andere acht haben. Das macht uns stolz. Wir sehen, dass es die, die ohne Marge gewachsen sind, nur Marktanteile wollten, jetzt zehnmal härter trifft als uns. Wir glauben an gute Chancen in den nächsten zwölf bis 18 Monaten. Unser Deal mit Delta Airlines ist ein gutes Beispiel.
Bleibt es da beim Start im März?
Ja, klar. Detroit ist einer von fünf großen Delta Hubs. Wenn wir das so gut machen, dass Delta zufrieden ist, haben wir vielleicht die Chance, einen zweiten zu kriegen. Oder in Europa: Wir sind überall, wo die x-mal täglich hineindonnern.
Warum sparen die nicht? Delta macht irre Milliardenverluste.
Die sagen, wenn die Flieger am Boden stehen, ist das eine gute Zeit, um einen Wechsel zu machen. Der Staat pumpt dort auch irre viel Geld in die Airlines, er sagt nicht, wie viel geschenkt oder ein Darlehen ist. Wenn Du es für künftige Löhne verwendest, gehört es Dir. Ein unglaubliches Incentive. Nicht wie bei uns, wo es vielleicht um wenige Prozent Lohnnebenkosten geht. Diese Mikroansätze funktionieren nicht. Deshalb werden die Amis viel schneller rauskommen. Den Impfstoff haben sie auch schneller gekauft.
Was sagt ein Logistikprofi wie Sie, der weltweit unterwegs ist, zu den Problemen bei der EU-Impfstoffbeschaffung?
Es sind wohl alle ziemlich perplex, wie die EU das vernudelt hat. Jetzt geben sie es ja wenigstens zu. Wenn ich weiß, es gibt vier Hersteller, dann bestelle ich 300 Millionen Impfdosen von jedem, egal zu welchem Preis. Was ist das überhaupt für eine Frage. Wenn man Glück hat, sind 1,2 Milliarden gleichzeitig da, im normalen Leben passiert das sowieso nicht. Da hat man in Europa eine Firma Biontech, und man ist zu blöd für eine verbindliche Bestellung, gratuliere. Da wollte jemand nicht in der Kritik stehen. Wir leiden unter zu viel Kleingedrucktem, zu viel Angst.
Haben Sie sich schon in den Jet gesetzt und sich in den Emiraten impfen lassen?
Sicher nicht. Ich kenne auch keinen, der das gemacht hat.
Sie sitzen üblicherweise hunderte Stunden im Jahr im Flugzeug . . .
. . . zuletzt nur 30 oder vielleicht 50 Stunden, normal sind es 700.
Ist die Lebensqualität besser?
Nein, dazu sind die Probleme zu groß. Das Fliegen geht mir wahnsinnig ab. Herumzukommen ist ein Privileg. Neues zu sehen, lernen, das ist mein Elixier und der Treiber von Qualität. Wenn es wieder geht, fliege ich, was das Zeug hält.
Müssen Sie beim Personal noch weiter hineinschneiden?
Wir haben 5000 Mitarbeiter (von 13.000, Anm.) weniger, sonst würde es Do&Co nicht mehr geben. Die anderen halten wir, damit wir in der Sekunde wieder Schub geben können. Alle wesentlichen Verträge sind verlängert oder neu. Das haben wir zufällig vorher gemacht.
Wie viel Geld verbrennt Do&Co im Moment noch?
Der Cash Burn ist inzwischen sehr gering, im einstelligen Millionen-Bereich. Das ist okay, man darf ja keine Angst davor haben, neue Dinge auszuprobieren, nur wegen zwei Millionen Startup-Kosten. Wir kommen jeden Tag mehr in Richtung positiver Cash, wir sind schon sehr nahe dran. Wir trennen uns auch von Geschäft, von Loungen, wo wir nichts verdient haben. Die Krise macht gesünder. Wenn man voll auf der Erfolgswelle surft, hat man keine Zeit und kann da und dort Marge liegen lassen. Jetzt müssen wir jeden Cent umdrehen.
Was passiert mit dem Demel?
Der Demel ist in der alten Form nicht lebensfähig. Unsere Idee, Kaiserschmarrn in der Auslage zuzubereiten, die Schlangen davor zeigen, dass die Menschen ein frisches Produkt wollen. Der Kaiserschmarrn ist nur ein Synonym. Die Menschen lieben es, wenn Essen vor ihren Augen gemacht wird. Wir arbeiten an einem neuen Konzept, Details kann ich noch nicht sagen, aber wenn wir das angreifen, geht es um ordentliche Investitionen.
Was steht ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste?
Wir haben extrem viele loyale Großkunden, die aber alle auf einmal praktisch ausgefallen sind. Wir wollen viel direkter zum Endkunden, weil ja im Moment kein Mensch weiß, wie es beim Thema Essen im Flugzeug weitergeht. Im Premium-Bereich wird es sicher besser laufen. Ich glaube auch an einen Boom auf der Economy-Langstrecke, wo man vorher per App bestellen kann. Vielleicht gibt es aber überhaupt kein Essen. Dann hängt die Kiste. Aber irgendwann sperren auch die Restaurants wieder auf mit hundert Meter Abstand und wir kriegen unsere Home-Delivery-Geschichte „Lazy Chef“ hin. Das haben wir fast fertig entwickelt. Ich kündige nichts groß an. Wenn wir damit hinausgehen, muss jeder sagen „super“.
Claudia Haase