Die Welt verändert sich und die OMV wird sie mitgestalten.“ So begründet OMV-Chef Rainer Seele den bisher radikalsten Schwenk in der Unternehmensgeschichte des Öl- und Gas-Konzerns.
Die ehrgeizigen Wachstumsziele bei der Öl- und Gasförderung, nach denen sich der Konzern bis 2025 ausgerichtet hätte, werden weitestgehend über Bord geworfen. 600.000 Barrel Tagesförderung sah die vor drei Jahren beschlossene Strategie vor. Jetzt soll es beim aktuellen Niveau von 480.000 bis 500.000 Barrel am Tag bleiben. Im Vorjahr lag die Menge im Schnitt bei 463.000 Fass.
Wachstumstreiber soll die Chemiesparte werden, vor allem die vor einem Jahr mehrheitlich übernommene Borealis. Deren Chef Alfred Stern stößt ab April als verantwortlicher Vorstand für den neuen großen Bereich „Chemical & Materials“ zur OMV-Führung. OMV-Vorstand Thomas Gangl dürfte im Gegenzug Borealis-Chef werden.
Die von Corona weniger betroffene Borealis, die vor allem Kunststoffe herstellt und 2020 netto 590 (872) Millionen Euro verdiente, erwies sich einmal mehr als Glücksfall für die OMV. Sie federte das durch die Pandemie heftig abgeschmierte klassische Geschäft mit Sprit und Gas massiv ab.
Milliardenschwere Aufwertung für die Borealis
Der OMV-Umsatz brach durch den Preisverfall und Mengenrückgang bei Sprit und Kerosin um 29 Prozent auf 16,55 Milliarden Euro ein. Unter dem Strich blieben 1,48 Milliarden Euro Ertrag übrig, 31 Prozent weniger als 2019. In dem Ergebnis ist auch eine milliardenschwere Aufwertung für die Borealis enthalten. Seele betonte aber, die OMV sei auch ohne Sondereffekte in jedem Quartal positiv gewesen. Damit erging es der im internationalen Vergleich kleinen OMV besser als Multis wie BP oder Exxon, die hohe Milliardenverluste erlitten.
Drei Milliarden Euro sollen bis 2025 investiert werden. Das ist weniger als in den Vorjahren. Hier machen sich die 4,1 Milliarden Euro bemerkbar, die die Anteilsaufstockung bei Borealis kostete. Die dadurch kräftig gestiegene Verschuldung muss Seele nun senken. Aber immerhin fließt bereits ein Drittel der Investitionen in den massiven Ausbau nachhaltiger Projekte wie Biodiesel, Rückverwandlung von Plastik in Öl (Re-Oil), E-Fuels und Wasserstoff.
Pläne, die vor wenigen Jahren noch ganz oben auf der Agenda standen, wie eine etwa 900 Millionen Euro teure Beteiligung an zwei russischen Ölund Gasfeldern des Fördergebietes Achimov, sind dagegen in weite Ferne gerückt. „Die OMV denkt nicht an Akquisitionen, sondern an Devestition,“ so Seele, ohne allerdings einräumen zu wollen, dass man das einst hochgejubelte Russlandprojekt fallen lassen wolle. Achimov sei eine „Option“, die nicht zuletzt davon abhänge, wie man die Verschuldung zurückbringe. Die Zuspitzung in der Debatte um die Gazprom-Pipeline Nordstream II, die die OMV mitfinanziert hat, beurteilt Seele so: „Man sollte die Industrie nicht das zahlen lassen, was die Diplomatie nicht schafft.“
„Das ist kein Kerngeschäft“
Weitere Verkäufe müssen jedenfalls das Geld für die Investitionen hereinspielen. Nach dem Tankstellengeschäft in Deutschland will man auch in Slowenien die Zapfsäulen einem neuen Eigentümer überlassen. Fix ist auch die Trennung von der Düngemittelproduktion der Borealis in Linz mit 2000 Mitarbeitern. „Das ist kein Kerngeschäft“, so Seele. Ein weiteres Verkaufspaket wird gerade geschnürt - das dritte - was noch abgestoßen werden soll, wollte Seele noch nicht preisgeben.
Claudia Haase