Seit über einer Woche liefern sich Kleininvestoren, die sich auf sozialen Plattformen unter dem Namen "WallStreetBets" organisieren, mit einem Hype der Gamestop-Aktie einen Kampf gegen Hedgefonds. Ziel ist es unter anderem, die Methoden dieser Hedgefonds anzuprangern und deren Marktmacht zu stören. Die Analysten der RBI sehen jedoch mehr Schaden als Nutzen in dieser Aktion und brechen eine Lanze für langfristig orientierte Aktienmärkte.
"Der allermeiste Schaden aber ist der Reputationsverlust des Aktienmarkts in der Öffentlichkeit. Gerade die Aktie wird immer wieder - auch in Österreich - für ideologische Fehlinterpretationen missbraucht", schreiben der Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI), Peter Brezinschek, und Christian Hinterwallner, Leiter des Equity Research der Bank, in einem Marktkommentar. Die Aktie als Form der längerfristigen Unternehmensbeteiligung sei ideal zur Beschaffung von Eigenkapital und gerade in Krisenzeiten sei Eigenkapital der wichtigste Risikopuffer.
Viele Verlierer
Durch den kurzfristig angelegten Run auf die Gamestop-Aktien würden jedoch alle Beteiligten verlieren und nicht nur die Hedgefonds, die mit Leerverkäufen auf fallende Kurse bei Gamestop gesetzt haben und deswegen von den Anhängern der WallStreetBets scharf kritisiert werden. "Beide vereint kurzfristiges Gewinnstreben. Die langfristige Komponente von Aktien bleibt auf der Strecke. Wie viel Marktmissbrauch und Marktmanipulation hinter den Spekulationsattacken vorliegt, wird sicherlich von der SEC, der amerikanischen Wertpapieraufsicht, zu klären sein", so die Analysten.
Die US-Finanzministerin Janet Yellen hat für heute, Donnerstag, ein Treffen mit der US-Wertpapieraufsicht SEC anberaumt, um über das weitere Vorgehen im Fall Gamestop zu beraten. Geladen sind außerdem Vertreter der Terminmärkte-Behörde Commodity Futures Trading Commission und der Notenbank Fed sowie deren New Yorker Ableger.
Hedgefonds mussten im Kampf um die Gamestop-Aktie bereits massive Verluste hinnehmen. Wie aus jüngsten Daten des Datenanbieters Ortex hervorgeht, summieren sich seit Jahresbeginn die Verluste der Hedgefonds auf 12,5 Mrd. Dollar (10,3 Mrd. Euro). Die Leerverkäufe, mit denen Hedgefonds oft arbeiten, seien nicht "automatisch gut oder schlecht", sondern würden häufig "einen Finger in eine (fundamentale) Wunde" legen, so die Analysten.
Massive Verluste
Bei Gamestop sehen die Erwartungen derzeit nicht allzu rosig aus. Das Unternehmen dürfte noch bis 2022 teils massive Verluste schreiben und laut Businessplan erst 2023 wieder einen Nettogewinn einfahren, so die RBI. Dementsprechend könnten auch die Kleinanleger bald das Nachsehen haben, denn der aktuelle Kurs der Aktie werde nicht durch die Erwartungen der Firma gerechtfertigt. "Langfristig sprechen Gewinnwachstum und Geschäftsmodell für die Aktienentwicklung. Nicht Herdenschwärme aus Social Media oder Leerverkaufsorgien", schreiben die Analysten.
Gratis-Broker wie Robinhood, die in die Kritik der Kleinanleger gerieten, nachdem sie kurzfristig Orderstopps für Gamestop verhängten, könnten zumindest Vertrauensverluste erleiden, so die RBI-Analysten. Die Kaufstopps seien zwar in erster Linie deswegen zustande gekommen, da als Sicherheit für die rasant gestiegenen Handelsumsätze mehr Liquidität bei den Clearing Häusern hinterlegt werden musste. Robinhood habe in den Tagen danach kurzfristig mehr als drei Milliarden Dollar Eigenkapital aufnehmen müssen, aber dennoch weiterhin den Kauf von Gamestop-Aktien stark beschränkt. Das habe ihnen auch vonseiten der Politik Kritik eingebracht.
Die Analysten können dem Kampf um die Gamestop-Aktien aber auch Positives abgewinnen. So werde die Diskussion um Marktmissbrauch und Marktmanipulation sowie das Interesse von mehr und jüngeren Menschen am Aktienmarkt neu entfacht.