Im Jänner hat eine Gruppe von Kleinanlegern im Internet dem großen Wall-Street-Kapital den Kampf angesagt. In der Reddit-Gruppe Wallstreetbets wurde dazu aufgerufen, Aktien von Gamestop zu kaufen und zu halten, um Hedgefonds das Handwerk zu legen, die zu großspurig auf fallende Kurs gewettet hatten. Der Hedgefonds Melvin Capital hat deshalb einem Insider zufolge mehr als die Hälfte seines Vermögens verloren. Das von Melvin Capital investierte Vermögen, das sich zu Jahresbeginn auf 12,5 Milliarden Dollar (10,3 Milliarden Euro) belaufen habe, habe sich bis Monatsende um 53 Prozent reduziert.
Nun gibt es ein neues Ziel: Spekulanten im Rohstoffmarkt für das Edelmetall Silber. "Die Reddit-Gemeinde hat einen größeren Wal ins Visier genommen, indem sie einen 'Short Squeeze' am Silber-Markt auslösen will", sagte Analyst Kyle Rodda vom Brokerhaus IG. "Das ist ihr 'Moby-Dick'-Moment."
Leerverkäufe
Gleich wie im Fall von Gamestop haben Hedgefonds offenbar Leerverkäufe, Short-Sells, auf Silber getätigt. Sie versprechen dabei den Verkauf des Edelmetalls zu einem fixen Preis an einem bestimmten Tag. Bei einem gedeckten Leerverkauf müssen sich die Finanz-Spekulanten erst Silber "borgen" und es dann verkaufen. Bei einem ungedeckten Leerverkauf ist es nicht nötig, überhaupt Silber zu besitzen.
Der Trick: Liegt der Kurs kurz vor der Fälligkeit des Geschäfts unter dem abgemachten Preis, gewinnt der Short-Seller. Er kann Silber günstiger einkaufen als er es verkauft. Steigt der Preis hat der Investor ein Problem. Er muss möglichst schnell kaufen, um seine Verluste zu minimieren. Wenn Investoren dann ihre Wetten auf fallende Kurse in großem Stil auflösen müssen, sprechen Fachleute von einem "Short Squeeze".
Der Preis für Silber ist weiter gestiegen und schoss in GameStop-Manier auf ein Acht-Jahres-Hoch von 30,03 Dollar (24,97 Euro) je Feinunze (31,1 Gramm). Kleinanleger drängen in den Markt und greifen bevorzugt zu börsennotierten Silber-Fonds. Zuletzt wurden Anlagen in Silber in Diskussionsforen im Internet verstärkt empfohlen.
Run auf Fonds
"Das Problem ist jedoch, dass dieser Markt deutlich größer ist und die Teilnehmer hier mit sehr tiefen Taschen unterwegs sind", warnte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus Axi. "Dennoch dürfte man die Entwicklung auf dem Börsenparkett weiter mit Spannung verfolgen, denn die Ereignisse der vergangenen Woche haben gezeigt, dass man die Kraft der privaten Investoren nicht unterschätzen sollte."
Bei ihren Käufen griffen Kleinanleger aber nicht auf das Edelmetall selbst. Sie bevorzugen börsennotierten Silber-Fonds (ETF), die für jedes Investment die entsprechende Menge des Edelmetalls kaufen. Diese legten prozentual meist zweistellig zu. Der in Australien notierte Silber-ETF von ETF Securities verbuchte mit umgerechnet 25 Millionen Euro den höchsten Mittelzufluss binnen eines Tages. "Das ist eine Menge für einen Fonds mit einem früheren Gesamtvolumen von etwa 139 Millionen Euro", sagte Evan Metcalf, Manager bei ETF Securities. Der weltgrößte Silber-ETF stieg im vorbörslichen US-Geschäft um fast 12 Prozent auf ein Acht-Jahres-Hoch von 27,71 Dollar und stand vor dem zweitgrößten Tagesgewinn seiner Geschichte.
Minenbetreiber profitieren
Im Windschatten der Silber-Rally setzten auch die Aktien von Minenbetreibern zum Höhenflug an. So verbuchten die Titel von Fresnillo mit einem Plus von fast 21 Prozent den größten Kurssprung seit gut zwölf Jahren. Die ebenfalls in London notierten Papiere von Polymetal gewannen bis zu 7,3 Prozent. Ähnlich stark legten die Aktien von KGHM in Warschau zu.
Die GameStop-Rally verlor zum Auftakt der neuen Woche etwas Schwung. Die Papiere gewannen im vorbörslichen US-Geschäft rund fünf Prozent, nachdem sie zuletzt täglich prozentual zwei- bis dreistellig zugelegt hatten. Die Titel der deutschen Biotech-Firma Evotec oder der britischen Kinokette Cineworld, die aus ähnlichen Gründen wie GameStop zugelegt hatten, bauten ihre Gewinne ebenfalls aus.