Als Kärntner Raiffeisenchef blicken Sie tief in die Unternehmen. Wie stark nagt Corona an deren Finanzbasis?
PETER GAUPER: Die Pandemie hat eine schwere Rezession zur Folge, die Betroffenheit ist unterschiedlich. Die Industrie hält sich nach einer ersten Schockwelle relativ stabil, auch mit relativ solider Liquidität. Dem Tourismus, der Gastronomie, Personenbeförderung und dem Handel, die sofort Hilfsgelder und Stundungen benötigten, geht es an die Substanz, deshalb benötigen sie mittelfristig Strukturhilfe.
Der Tourismus kam 2020 mit blauem Auge davon, wie existenzbedrohend ist die Lage aber nach drei Lockdowns?
Die Umsätze sind weggebrochen, die Lage ist sehr ernst. Da braucht es kurzfristig weitere öffentliche Unterstützung. Wir helfen als Regionalbank mit Stundungen und Beratung, um die Hilfen auszuschöpfen.
Raika-Chef im Interview: "Jetzt ist es Zeit geordnet zu öffnen"
Wie nahe steht Kärntens Handel am Abgrund, während Amazon der große Gewinner ist?
Auch im Handel ist die Betroffenheit groß, viele Betrieben haben aber die Chance der Digitalisierung genutzt und das Onlinegeschäft ausgebaut.
Wie massiv droht eine Insolvenzwelle, wenn die Stundungen bei den Banken, der Finanz und der Gesundheitskassa auslaufen?
Die Zahl der Insolvenzen wird steigen, aber eine Prognose ist aus heutigen Sicht zu früh.
Wo sehen Sie den massivsten Digitalisierungsschub, um dem Corona-Druck standzuhalten?
Die Lockdowns haben die Digitalisierung am deutlichsten im Dienstleistungsbereich und im Handel beschleunigt. Da haben auch die Konsumenten rasch reagiert. Die Digitalisierung bietet die Basis der Innovationen, die Voraussetzung für Wirtschaftswachstum sind und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Für Kärnten ist das eine große Chance, weil man Dienstleistungen räumlich unabhängig erbringen kann. Auch der ländliche Raum kann sich vernetzen und seine regionalen Produkte über Grenzen liefern.
Digitalisierung ist Thema beim Konjunkturforum 2021: „Wie Covid Ihr Business verändert“. Wie hat es Raiffeisen Kärnten verändert?
Wir sehen drei große Änderungen. Der Bedarf persönlicher Beratung stieg deutlich an, von Überbrückung bis Förderung. Enorm zugenommen hat der bargeldlose Zahlungsverkehr, im Electronic Banking stiegen die Transaktionen um 50 Prozent, auch das kontaktlose Zahlen mit Karten und Smartphone stieg stark an. Und das Arbeiten im Homeoffice ist angekommen und wird auch bleiben.
Die Menschen haben auch noch viel mehr gespart als zuvor. Wann kann der für Aufschwung wichtige Konsum wieder anspringen?
Stimmung und Erwartung machen die halbe Konjunktur. Das Wichtigste ist Planungssicherheit. Wir brauchen eine realistische Perspektive für die Dauer des Lockdowns und ein realistisches Zeitkonzept für geordnetes und strukturiertes Öffnen. Das ist Voraussetzung für eine Belebung.
Der Bundeskanzler und die Regierung verlieren bei Berechenbarkeit der Aussichten Vertrauen.
Die Regierungen und die Länder haben Vieles richtig gemacht, es ist aber jetzt an der Zeit, diese Perspektive zu geben und Planungssicherheit zu schaffen. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, Schritte einzuleiten, geordnet und strukturiert wieder zu öffnen.
Sebastian Kurz vermeinte im vergangenen Sommer Licht am Ende des Tunnels zu sehen und Rückkehr zur Normalität Mitte 2021. Was sehen Sie angesichts des Impfstoff-Chaos in der EU?
Das Licht am Ende des Tunnels ist zumindest heller geworden. Die große Hoffnung ist die Medizin und dass es bis zum Sommer für jeden, der eine Impfung will, einen Impfstoff gibt. Damit, sowie mit Testen, Abstand und Regeln soll eine teilweise Öffnung der Wirtschaft möglich sein und das Licht am Ende des Tunnels klar werden.
Die Impfdosis für die Unternehmen hat Finanzminister Gernot Blümel gerade noch einmal erhöht und beihilfenrechtlich ausdehnen können, sodass andere Länder schon den Kopf schütteln. Ich das überzogen, muss das bald einmal auf Normalmaß zurück?
Die Hilfen sind absolut wichtig und für die vom Zusperren betroffenen Branchen unumgänglich. Jetzt muss man überlegen, wie man mittel- und langfristig Anreize geben kann. Die Investitionsprämie hat schon einen Schub an Investitionen in Nachhaltigkeit ausgelöst.
Adolf Winkler