Selbst eingefleischte Börsenprofis staunen derzeit nicht schlecht, wenn sie auf die Kursentwicklungen von Unternehmen wie GameStop oder den Kinobetreiber AMC blicken. Ausgehend von einem Forum auf der Diskussionsplattform Reddit haben tausende Kleinanleger Aktien dieser Unternehmen gekauft.

Warum die Aufregung: Diese Firmen leiden massiv unter den Folgen der Coronakrise. Die Geschäfte und Kinos sind geschlossen, die Einnahmen schwinden. Kurz: Wirtschaftlich sind sie am Ende. Das haben auch einige Hedgefonds erkannt und Wetten auf fallende Kurse abgeschlossen.

Leerverkäufe

Kurz zusammengefasst funktioniert das so: Eine Aktie von Unternehmen A kostet 20 Euro. Der Hedgefonds bietet einem Investor oder einer Bank nun folgendes Geschäft an: Er leiht sich die Aktie für zwei Monate gegen eine kleine Gebühr. Danach verkauft der Hedgefond die Aktie. Er hat nun eine Verpflichtung, die Aktie zum verabredeten Zeitpunkt zurückzugeben, hat diese aber nicht mehr, er ist "short of stock". Auf Deutsch nennt man die Short-Position auch "Leerverkauf", das Depot des Anbieters ist ja leer.

Anfangs ist das auch kein Problem. Erst in zwei Monaten braucht der Fonds die Aktie. Fällt die Aktie in der Zeit auf beispielsweise 15 Euro, macht der Hedgefonds ein Geschäft. Steigt der Kurs hingegen, macht der Fonds Verlust. Dementsprechend machen die Fonds dann auch Stimmung gegen diese Unternehmen und veröffentlichen negative Analysen oder schädliche Informationen, die sie schon im Vorfeld gesammelt haben, um den Kurs möglichst nach unten zu bringen.

So kamen in der Vergangenheit beispielsweise Tesla oder Wirecard ins Visier der Short-Seller. Bei Tesla glaubten diese nicht an die Versprechen von Elon Musk, bei Wirecard hatten die Short-Seller Informationen über die fehlenden Milliarden gesammelt. 

Hedgefonds unter Druck

So und was hat das jetzt mit GameStop und AMC zu tun. Bei Gamestop haben es die Short-Seller etwas zu weit getrieben. Denn schließlich gab es mehr Wetten auf Aktien, als eigentlich echte Aktien am Markt waren. In einem Forum auf Reddit mit dem Namen "Wallstreetbets" wird über solche Wetten geschrieben. Denn die Information über Short-Positionen ist öffentlich. Und dort haben sich die Kleinanleger nun zusammengetan. Sie kauften zu tausenden über Tranding-Apps wie RobinHood oder TradeRepublik die Aktien dieser Unternehmen.

Die Folge: Die Kurse steigen und nun haben die Hedgefonds ein Problem. Sie haben Aktiengeschäfte zu Preisen versprochen, bei denen sie Verlust machen. Also versuchen sie, schnell Aktien zu bekommen, bevor die Preise weiter steigen. Die Kleinanleger bei Reddit haben sich aber verabredet, die Aktien nicht an Short-Seller zu verkaufen, was natürlich zu weiteren Kurssprüngen führt. 70 Milliarden US-Dollar haben diese Fonds durch die Aktion der Kleinanleger verloren.

Um das Ausmaß zu zeigen: Im April, in der Blütephase des Corona-Crashs, notierte der Aktienkurs von GameStop bei 2,80 Dollar. Zu Jahresbeginn waren es 18,84 Dollar und diese Woche stieg der Kurs auf 378 Dollar. Seit Jahresbeginn konnten Investoren aus 1000 Dollar unglaubliche 20.000 Dollar machen.

Marktmanipulation

Einige Hedgefonds haben sich also übel verzockt. Vielfach regt sich ein gewisses Maß an Schadenfreude, werden solche Fonds doch gerne als "Heuschrecken" bezeichnet. Es herrscht eine David-gegen-Goliath-Stimmung. So hat die prominente US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez in einem Tweet geschrieben, dass sie sich sehr wundere, dass sich Börsenhändler darüber beschweren, dass ein Online-Forum die Börse nun als Casino nützt.

So einfach ist das allerdings nicht, erklärt der Chefanalyst der Raiffeisen International, Peter Brezinschek: "Es geht hier schon um Marktmanipulation und Marktmissbrauch." Und das ist illegal, sowohl in den USA als auch in der EU. Es drohen Haftstrafen und hohe Geldstrafen. "Hintergrund des Kursanstiegs ist ja nicht die Story des Unternehmens oder dessen Erfolg." Vielmehr gibt es Absprachen in Foren. Die Börsenaufsicht, allen voran die SEC in New York, würden das genau beobachten. Brezinschek geht daher davon aus, dass sich der jetzige Run auf diese Aktien auch wieder legen werde.

Aktien-Shitstorm

Die Entwicklung sei gerade sehr spannend, sagt Markus Fallenböck. Er ist Professor an der Universität Graz für Digitales Recht. "Bisher konnte man nur wenig gegen Short-Seller machen. Nun haben sich Tausende Menschen im Internet gegen diese Fonds organisiert. Es ist eine Art Aktien-Shitstorm." Zu klären sein werde allerdings, ob das unter den Begriff Marktmanipulation fällt. Auch die Frage, wer hinter der Aktion stecke, sei wichtig.

Tatsächlich wird in den USA schon über strenge Regulierungen solcher Foren gesprochen. Facebook hat eine Gruppe zur Trading-App RobinHood schon aufgelöst. Auf der anderen Seite gibt es allerdings durchaus Fernsehsender wie Bloomberg oder MSNBC, auf denen Fondsmanager auch sagen, wie sie traden und dadurch Empfehlungen abgeben. Und selbst Tweets von Elon Musk sorgen regelmäßig für Ausschläge an den Börsen.

Vor seiner Tätigkeit an der Universität hat Fallenböck auch die Trading-App Own360 mitgegründet. Und aus der Perspektive des Finanz-Start-ups besorgen ihnen diese Entwicklungen. Denn so viel ist klar: "Das trägt nicht unbedingt dazu bei, dass bei den Menschen das Vertrauen in Aktien als gute Anlageform steigt."