Das Internationalisierungscenter Steiermark (ICS) hat drei Wochen nach dem Brexit von ersten Erfahrungen berichtet und von "massiven operativen Umsetzungsproblemen in der Exportabwicklung" gesprochen. Geschäftsführer Robert Brugger sagte am Dienstag in einer Aussendung: "Wir sehen jene Probleme im Tagesgeschäft, die wir befürchtet haben: 80 Prozent aller Sendungen sind falsch deklariert, es führt zu massiven Problemen in der Transportlogistik."
Hinzu komme der administrative Mehraufwand: "Viele Unternehmen, die bis dato nur innerhalb der EU geschäftlich tätig waren, sind auf die Export- und Importanmeldungen und bürokratischen Anforderungen nicht vorbereitet." Da ein Großteil aller Verschickungen falsch deklariert sei, ergeben sich zwei Tage längere Lieferzeiten, der Systemverkehr funktioniere nicht mehr und Transportkosten würden steigen.
"Das hält uns noch Jahre in Atem"
Ein weiteres Problem seien die kaum verfügbaren und "teuren" Zollspediteure in Großbritannien, die aber oftmals nötig seien, wenn Unternehmen keine Niederlassung im Vereinigten Königreich haben. "Die Entsendung von Personal zum Beispiel für Montagearbeiten ist besonders schwierig", sagte Christian Kesberg, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in London.
Geschäftsreisen von bis zu 90 Tagen sind zwar weiterhin visumfrei möglich, aber Montagen seien nur noch durchführbar, wenn diese an einen Kauf- oder Liefervertrag über eine konkrete Ware erfolgen. Die Beauftragung von Subunternehmen sei damit de facto nicht mehr zu bewerkstelligen.
Kesberg meinte: "Die Annäherung an den 1.500 Seiten umfassenden Rechtsakt mit Hunderten Querverweisen und Ankündigungen zukünftiger Rechtsakte geht langsam und wird uns noch Jahre in Atem halten." Dennoch werde Großbritannien weiterhin ein "sehr attraktiver Partner für die steirische Wirtschaft bleiben", versicherte Brugger. Es gelte sich nun operativ vorzubereiten, um mit den Herausforderungen umgehen zu können. Das Abkommen sei "zumindest teilweise die lang ersehnte Planungssicherheit".
Die steirische Wirtschaft steht durch den Automobilsektor in einem besonderen Zusammenhang mit Großbritannien und damit auch mit dem Brexit. Das Vereinigte Königreich ist der viertwichtigste Handelspartner für die Grüne Mark. Magna Steyr in Graz fertigt beispielsweise für Jaguar.