Der Vorstandschef stammt aus Portugal, der Verwaltungsratsvorsitzende gehört zur italienischen Industriellendynastie Agnelli, die Firma ist in den Niederlanden angemeldet und zu den Automarken zählen US-Klassiker wie Chrysler oder Dodge: So sieht ein Weltkonzern europäischer Prägung heutzutage aus. Der französische Peugeot-Hersteller PSA und der italienisch-amerikanische Fiat-Chrysler-Konzern (FCA) schließen am Samstag ihre Megafusion ab - die neue Gruppe heißt Stellantis.
Der etwas schwerfällig anmutende Name ist vom lateinischen Wort für Stern ("Stella") abgeleitet. Größere Ereignisse zum Start des Autogiganten am Wochenende sind dem Vernehmen nach nicht geplant.
Der Zusammenschluss dürfte die Karriere von Vorstandschef Carlos Tavares krönen, der schon bei PSA an der Spitze stand. Der 62-Jährige führt künftig den viertgrößten Autohersteller der Welt - mit 14 Marken wie Opel, Peugeot, Citroen, Jeep, Maserati oder Alfa Romeo. Beschäftigt werden rund 400.000 Menschen.
Einsparungen
"Vor uns liegen Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten", sagt der knallharte Topmanager mit Wurzeln in Lissabon. Er sanierte in den vergangenen Jahren den deutschen Hersteller Opel mit eiserner Hand. Der neue Autoriese will für Mobilität sorgen, die "sicher, sauber und erschwinglich" ist - so lautet das Credo von Tavares.
Die Fusion wurde schon vor der Coronapandemie eingefädelt, die der Autobranche einen dramatischen Absatzeinbruch bescherte. Da weniger Autos verkauft werden, dürfte der Druck auf Tavares steigen, den neuen Verbund umzubauen. "Da wird ein sehr dicker Rotstift kommen", sagte der Duisburger Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer der Deutschen Presse-Agentur in Paris. "Opel ist die Blaupause. Kein Autokonzern braucht vier große Entwicklungszentren in USA, Turin, Paris und Rüsselsheim."
Opel-Chef Michael Lohscheller hatte im Oktober der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) gesagt, dass er den Stammsitz Rüsselsheim in dem neu entstehenden Konzern als gut aufgestellt sieht. Opel bleibe die einzige deutsche Marke im Konzern.
Machtzentrum in Frankreich
Tavares versicherte schon vor der Coronakrise, der neue Verbund mit großen Standbeinen in Europa und Nordamerika wolle keine Werke schließen. Die Regierungen in Paris und Rom wiesen bereits deutlich darauf hin, dass sie auf die Beschäftigung sehr genau aufpassen werden. Frankreich und Italien sind die Heimatländer von Peugeot und Fiat ("Fabbrica Italiana Automobili Torino") - beide Unternehmen haben ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert. Frankreich wird als Aktionär von PSA darüber hinaus auch Anteile an Stellantis halten.
Gerade im Fiat-Land Italien gibt es Sorgen. So befürchtet der Gewerkschaftssekretär Edi Lazzi von der Metaller-Gewerkschaft Fiom, dass Entscheidungen künftig in Frankreich gefällt werden. Die Marke Fiat habe ihr Gleichgewicht verloren, meinte er: "Ich bin nicht optimistisch im Hinblick darauf, was passieren kann." Die Generalsekretärin der Gewerkschaft der Metallindustrie, Francesca Re David, sagte der Zeitung "Corriere della Sera", Italien sei bei der Fusion mit den Franzosen in einer schwächeren Position. Der Zusammenschluss sei zwar nötig, doch die italienische Seite müsse auch bei der Zukunftsstrategie mitentscheiden können. FCA sei zudem verspätet beim Thema Elektro eingestiegen, resümierte sie.
Nummer Vier
Der Verwaltungsratsvorsitzende John Elkann (44) ist Enkel des legendären Fiat-Patriarchen Giovanni "Gianni" Agnelli (1921-2003). Die Familie Agnelli wird laut der Zeitung "Le Parisien" mit rund 14,4 Prozent im neuen Konzern vertreten sein und damit eine starke Position haben. Weitere größere Aktienpakete werden von der Familie Peugeot und dem französischen Staat gehalten. FCA und PSA setzten vor der Corona-Krise zusammen mehr als acht Millionen Fahrzeuge ab und erzielten einen Jahresumsatz von knapp 170 Milliarden Euro. Nur noch Volkswagen, Toyota und der französisch-japanische Renault-Nissan-Verbund waren 2019 größer.
Stellantis kann hohe Stückzahlen und Marktanteile in Europa und USA vorweisen. Tavares will Synergien von fünf Milliarden Euro pro Jahr erzielen. Experte Dudenhöffer gibt aber zu den bedenken, dass der neue Gigant in China und Asien bisher schwach aufgestellt sei - er könnte also das Autogeschäft der Zukunft verpassen. "Asien wird das Autogeschäft dominieren." Wachstumsraten in dieser Region seien immens.