Es war mehr als eine Schrecksekunde. Als am Freitag um 14:05 Uhr eine Störung im europäischen Stromnetz eintrat, war relativ schnell klar, dass Europa nur um Haaresbreite an einem sogenannten „Blackout“, also einem flächendeckenden Infrastruktur- und Versorgungsausfall, vorbeigeschrammt ist. Wie berichtet, ist es zu einem massiven Frequenzabfall im europäischen Stromnetz gekommen, das Sicherheitsnetz hat glücklicherweise rasch gegriffen, nach einer Stunde war die Störung behoben. Auch österreichische Kraftwerke haben laut Austrian Power Grid (APG) sofort Energie zur Netzstabilisierung geliefert. Zudem sollen unverzüglich Großverbraucher im europäischen Stromnetz abgeschaltet worden sein. Viele Branchenexperten fordern nun, dass diese heftigste Großstörung seit November 2006 – damals mussten zehn Millionen Haushalte in Westeuropa vom Stromnetz getrennt werden – als eindringlicher Warnschuss verstanden wird und entsprechende Vorsorge getroffen werden müsse.
Ein Störfall wie jener am Freitag sorgt auch in den Netzleitwarten der Landesenergieversorger umgehend zu einer Sofortalarmierung, wie Urs Harnik, Sprecher der Energie Steiermark bestätigt. Der steirische Versorger hat 2016 die nach eigenen Angaben modernste derartige Leitzentrale Österreichs in Betrieb genommen – der Ort (im Großraum Graz) wird geheim gehalten, investiert wurden damals rund fünf Millionen Euro. Überwacht werden das gesamte, rund 30.000 Kilometer lange steirische Energienetz sowie die 75 größeren und 270 kleineren Umspannwerke und die 8000 Trafostationen. Kommt es zu Frequenzabweichungen, wird Alarm ausgelöst.
So wird das steirische Stromnetz überwacht
Beim Vorfall am Freitag konnte das Problem aber auf europäischer Ebene im Höchstspannungsnetz gelöst werden, „wenn dieses Netz funktioniert, funktionieren auch die regionalen Netze“, so Harnik.
Wie aber würde der Plan zum „Neustart“ der Versorgung aussehen, wenn es nicht so glimpflich ausgeht? Gelingt der überregionale Aufbau, wird – bildlich gesprochen – gewissermaßen der „steirische Stecker wieder in die überregionale Dose gesteckt“, sagt Harnik. Ist das nicht möglich, funktioniert das übergeordnete Netz also nicht, gibt es neun Notfallpläne für alle Bundesländer. In der Steiermark wäre der Ausgangspunkt für das Wiederhochfahren des 110kV-Netzes das in den vergangenen Jahren extra dafür umgerüstete Speicherkraftwerk Sölk, das die Initialzündung liefern würde, „dann können Schritt für Schritt weitere Kraftwerke dazugeschaltet werden, auch Wasserkraftwerke können da einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung leisten.“
„Wir simulieren zwei Mal pro Jahr den Ernstfall, dafür gibt es einen Krisenstab, die Szenarien reichen u. a. von Extremwetterereignissen über Cyberangriffe bis hin zu Erdbeben“, so Harnik. Auch das Management von schnellen Lastverlagerungen werde beim Kraftwerk Sölk regelmäßig erprobt.
Um derartige Ausfallszenarien zu verhindern, werden pro Jahr rund 100 bis 120 Millionen Euro in den Ausbau und die Modernisierung der steirischen Energienetze investiert (auch um die Integration der erneuerbaren Energieerzeugung, die das Management komplexer mache, zu gewährleisten).