„MagratheanTimes“ lautet der Twitter-Nickname des künftigen Arbeitsministers Martin Kocher. Er nahm dabei Anleihe am sagenumwobenen Planeten Magrathea aus Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“.
Der Planet Magrathea wurde in diesem fantastischen Buch reich, weil er „ein unglaublich profitables Businessmodell entwickelt hat“, schrieb der 47-jährige Universitätsprofessor der Uni Wien, der am Montag angelobt werden soll, kürzlich in einem Gastbeitrag für den Standard.
Kocher ist künftig, neben Bildungsminister Heinz Fassmann, ebenfalls auf einem ÖVP-Ticket, das fachlich herausragendste Mitglied des Kurz-Kabinetts. Als Wissenschaftler, anders als seine Vorgängerin Christine Aschbacher, über jeden Zweifel erhaben, promovierte er 2002 an der Uni Innsbruck in Volkswirtschaftslehre. 2007 folgte die Habilitation, danach Stationen in den Niederlanden, Schweden, Deutschland, Großbritannien und Australien, unter anderem mit Professuren an der Uni Göteborg und der Universität Queensland im australischen Brisbane. Schon zu Schulzeiten schien sein Weg vorgezeichnet: Kocher verfasste eine vorwissenschaftliche Arbeit zum großen Ökonomen Adam Smith.
An der Schnittstelle Politik und Wissenschaft
Im Jahr 2016 wechselte Kocher an die Nahtstelle von Politik und Wirtschaft. Als Chef des unabhängigen, bedeutenden Wiener Wirtschaftsinstituts IHS (Institut für Höhere Studien) folgte er Christian Keuschnigg. Nicht nur stärkte er das "kleinere" IHS gleichermaßen wissenschaftlich wie wirtschaftlich, auch fiel er mit gemeinsamen Konjuktur-Präsentationen mit Noch-Wifo-Chef Christoph Badelt auf; für öffentliche Präsenz sorgten auch Kochers mediale Beiträge, unter anderem als Gastautor der Kleinen Zeitung. Stets nahm er - gerade bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie - die Rolle des meinungsstarken Auf- und Erklärers ein. Einer, der die Maßnahmen der Regierung im Wesentlichen guthieß: An Lockdowns und den wichtigsten Maßnahmen, um den Arbeitsmarkt nach Kräften zu stützen – allem voran die Kurzarbeit – führt auch für Kocher kein Weg vorbei.
Nahe an der politischen Praxis
Die Eckpunkte der Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung begleitete er bereits bisher mit seiner Expertise, insofern ist er dem Thema Arbeitsmarkt, dem er sich voll und ganz widmen kann – die Familien- und Jugendagenden wandern zu Susanne Raab ins Kanzleramt – nicht nur theoretisch, sondern auch in der politischen Praxis fest verhaftet und somit von Beginn an startklar.
Kommentar
"Kein Politiker"
Dass er selbst kein Politiker ist, strich Kocher, der im Salzburger Pongau aufgewachsen ist, anlässlich seiner Präsentation am Sonntag mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) heraus. Er ist unabhängig, somit kein ÖVP-Mitglied, und seit seinem Engagement in der Studentenpolitik auch nicht (partei-)politisch tätig. Allerdings bediente sich die ÖVP mehrfach seiner Expertise. Als Chef des Fiskalrates – er folgte im Sommer 2020 dem zum Vizegouverneur der Nationalbank bestellen Gottfried Haber nach – mahnt der vielfach ausgezeichnete Top-Ökonom zu sorgsamem Umgang mit Steuergeld. Der Fiskalrat ist der Wächter über die EU-Budgetregeln für Österreich. Diese Funktion muss naturgemäß regierungsunabhängig besetzt sein und wird Kocher - 2013 von der renommierten FAZ zu einem der einflussreichsten Ökonomen gekürt - daher ebenso wie das Amt des IHS-Chefs zurücklegen.
Viel Geld für die Sanierung des Arbeitsmarkts
In seiner neuen Rolle wird er freilich auf möglichst hohe Budgetposten für sein Ressort und das AMS drängen müssen, ohne Milliardenspritzen wird es nicht möglich sein, die schwere Krise am Arbeitsmarkt in den Griff zu bekommen und die Österreicher – sowie die hier lebenden Menschen – fit zu machen für die künftigen Herausforderungen der Arbeitswelt - Stichwort Digitalisierung.
Entscheidungen unter Unsicherheit
Kocher, ein ausgewiesener Verhaltens- und Experimentalökonom, beschäftigt sich mit Entscheidungen unter Unsicherheit, der Bereitstellung öffentlicher Güter, Kooperation und Vertrauen, Auktionen, (un)moralischem Verhalten, ökonomischer Psychologie sowie ökonomischen Entscheidungen von Kindern und Jugendlichen intensiv. Man möchte meinen, durchwegs Themen, die ihm im politischen Alltag während der größten Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise seit dem Zweiten Weltkrieg häufiger begegnen werden.
Sportler mit langem Atem
Dabei wird Kocher in seinem Job wohl helfen, dass er als begeisterter Sportler und Marathonläufer langen Atem beweist. Den Sohn zweier Skilehrer zieht es zum Wandern und Skifahren in die Berge. Als Jugendlicher schaffte er es zwar in den örtlichen Skikader, es habe sich allerdings bald gezeigt, dass es für eine Karriere als Skifahrer nicht reichte, erzählte Kocher im Vorjahr den "Salzburger Nachrichten". Wegen der häufigen Ortswechsel, die die akademische Karriere mit sich brachte, leben Kocher und seine Frau, die nach dem Studium nach München ging, "eine sehr gut funktionierende Fernbeziehung, das ist aber kein Lebensmodell für eine Familie". Daher habe sich die Frage nach Kindern nicht gestellt.
Weniger Zeit fürs heimatliche Altenmarkt
So oft es geht, zieht es den ausgesprochen sympathischen und unprätentiösen Wissenschaftler nach Hause. In Altenmarkt trifft er nicht nur seine Eltern, sondern auch seine drei Jahre jüngere Schwester. Die klinische Psychologin und Psychotherapeutin lebt mit ihrer Familie in Eben. Dafür wird in den nächsten Monaten wohl weniger Zeit bleiben, zu drängend sind die Probleme am Arbeitsmarkt mit mehr als einer halben Million Menschen auf Jobsuche und über 400.000 Menschen in Kurzarbeit.
Zurück zum Phantasie-Planeten Magrathea. Die Planung und der Bau von Luxusplaneten entpuppten sich zwar als höchst ertragreich, Magrathea wurde zum reichsten Planeten der Galaxie, während der Rest der Galaxis verarmte. Aber als es deshalb zum großen, galaktischen Börsencrash kam, gingen die Bewohner Magratheas in einen Winterschlaf über, um so die Erholung der Wirtschaft abzuwarten, bis sich die Galaxie ihre Dienste wieder leisten konnte, heißt es auf einer einschlägigen Website.
Abwarten ist keine Option, Kochers Pläne werden sich von denen des fantastischen Magrathea wohl deutlich unterschieden. Das deutete Kocher schon anlässlich seiner Präsentation an: Die Krise in den Griff bekommen – für Jänner sind noch einmal steigende Arbeitslosenzahlen zu befürchten -, die Beschäftigung wieder steigern und dann Österreichs Arbeitskräftepotenzial für neue, nach wie vor herausfordernde Zeiten vorbereiten. Die zahlreichen positiven Reaktionen, die Kochers Bestellung in der Öffentlichkeit auslöste, lassen einen Schluss zu: Wenn's einer schafft, dann könnte es Kocher sein.