Das Staffel-Finale der Lieblingsserie flimmert über den Bildschirm – gestreamt aus dem Internet – als ein leises Quengeln aus dem Babyfon zu hören ist. Pause drücken, nachschauen: Der Schnuller liegt neben dem Baby, kaum wieder im Mund, schläft das Kind wieder. Zurück auf der Couch, auf Play drücken und schon läuft die Serie weiter.
Diese Erzählung könnte nicht stattfinden ohne zwei österreichische Erfindungen, die weltweit zum Erfolg wurden: der Videostandard MPEG-Dash des Kärntner Start-up Bitmovin und der Sicherheitsstandard für Schnuller von MAM.
Orchestriert wird die Entwicklung solcher Regeln von Austrian Standards International, besser bekannt ist die Arbeit des Instituts freilich unter den Abkürzungen ISO, EN und natürlich ÖNorm. Seit 100 Jahren wird in Österreich inzwischen normiert.
Keine Vorschrift
Wobei eine Norm keineswegs immer eine Vorschrift ist, wie die Direktorin Elisabeth Stampfl-Blaha erklärt. „Wir geben eine qualifizierte Empfehlung ab.“ Dieses „Wir“ bezieht sich dabei nicht auf Mitarbeiter des Instituts. Denn die unterschiedlichen Normen werden stets von Experten aus den jeweiligen Feldern entwickelt, wie eben Bitmovin oder MAM. „Wir organisieren hier den fachlichen Austausch der Profis“, erklärt Stampfl-Blaha. Rund 24 Standards werden so pro Jahr veröffentlicht - der Großteil davon sind Überarbeitungen.
Normen begegnen den Menschen bereits jeden Tag. Das beginnt beim Aufstehen mit dem Einschalten der Kaffeemaschine, dem Zähneputzen oder der Dusche mit dem standardisierten Duschkopf. Im Aufzug treffen gleich mehrere Normen aufeinander und in der Arbeit gibt es ergonomische Bürostühle oder normierte Helme. Und dass man mit dem Ski-Schuh in unterschiedliche Ski-Bindungen steigen kann, ist auch den Bemühungen zur Standardisierung zu verdanken.
China mit an Bord
Während man bei Helmen oder Duschköpfen auch mit nationalen oder EU-weiten Standards viel erreichen kann, ist die Digitalisierung ein internationales Phänomen. Regeln die nur in Österreich oder der EU gelten, sind zu wenig. Deshalb wird auch in diesem Bereich stark auf Kooperation gesetzt. „Digitalisierung ist mit internationalen Standards leichter“, sagt Stampfl-Blaha.
Hier sei es auch von Vorteil, dass auch China inzwischen an den internationalen ISO-Richtlinien mitarbeitet. „An China kann man sich ein Vorbild nehmen. Die haben die Relevanz von einheitlichen Standards verstanden.“ Eine Gefahr, dass das Land seine Wirtschaftsmacht hier ausspielen könnte, bestehe aber nicht. Bei der Erarbeitung dieser ISO-Standards hat jedes Land nur eine Stimme.
Entwicklung mitgestalten
Den Befürchtungen, dass viele Regeln Innovation bremsen könnte, versucht Stampfl-Blaha auszuräumen: „Für Start-ups ist das viel mehr eine Chance. Sie können bei uns prüfen, ob es für ihre Idee schon Standards gibt und wenn nicht, können sie sich bei der Entwicklung neuer Normen einbringen.“ Das schaffe Vertrauen und könne beim Markteintritt helfen. „Auch im Horizon-2020-Programm der EU ist inzwischen meist eine Standardisierung vorgesehen.“ Und gerade im Bereich Digitalisierung, Umwelttechnologie und Industrie werde in der EU derzeit an neuen Standards gearbeitet, „unter anderem an Normen für einen Hyperloop, im Bereich künstliche Intelligenz oder Blockchain.“
Roman Vilgut