Mehr als einmal hat der Lebensmittelhandel dem Jahr 2020 den Stempel aufgedrückt. Systemrelevant in den Lockdowns, liefen die Ketten zur Höchstform auf, als es darum ging, die Versorgung der Bevölkerung in geordnete Bahnen zu lenken. Es wurden Heldinnen-Geschichten geschrieben. Und es gab laute Misstöne um den Verkauf des Non-Food-Segments, den jedoch vor allem Spar mit Vehemenz verteidigte – zuletzt auf Basis von Rechtsgutachten auch gegen Regierungsmitglieder.
Der Lebensmittelhandel legte in den vergangenen Jahren stetig beim Umsatz zu, 2020, so schätzt Regiodata Research, dürfte der Zuwachs 4,5 Prozent betragen. Offizielle Ergebnisse liegen noch nicht vor, doch ist davon auszugehen, dass Spar abermals „über dem Markt“ gewachsen ist. Dem größten österreichischen Handelskonzern in Familienbesitz gelang es 2020 nämlich, von der deutschen Rewe, zu der Billa, Merkur, Penny, Bipa und Adeg gehören, die Marktführerschaft im Lebensmitteleinzelhandel zu erobern. Ein seltenes Ereignis, das es zuletzt im vorigen Jahrhundert gab, als Billa-Gründer Karl Wlaschek am maroden Konsum vorbeizog.
Vier teilen sich den Markt auf
Die Spar-Gruppe mit dem Tannen-Logo hält nun bei 34 bis 35 Prozent Marktanteil, knapp dahinter folgt Rewe, mit Abstand Hofer (20,5 Prozent) und Lidl (6,5). Zusammen beherrschen die vier mehr als 90 Prozent des Marktes. Diese Konzentration ist ein Merkmal der österreichischen Handelslandschaft, ein weiteres ist die hohe Filialdichte: Sie erklärt wiederum den noch geringen Onlineanteil beim Lebensmittelkauf. 2020 ist allerdings auch der so stark gewachsen wie noch nie.
Besser hätte Gerhard Drexel seinen Wechsel wohl kaum takten können. Mit Jahresbeginn übergibt der 65-Jährige den Spar-Vorstandsvorsitz an den Grazer Fritz Poppmeier (55), selbst löst er Bernd Bohte an der Spitze des Aufsichtsrates der Spar-Holding ab.
Durchgehende Expansion
Die Ära Drexel steht für stetiges Wachstum bei Umsatz und Marktanteilen. Als der gebürtige Dornbirner, der in St. Gallen und Innsbruck BWL studierte, 1990 in den Vorstand von Spar kam (den Vorsitz übernahm er 2001), hielt das Unternehmen 15 Prozent Marktanteil. Die folgenden Jahrzehnte waren geprägt von Expansion im In- und erstmals im Ausland (u. a. Italien, Slowenien Ungarn, Kroatien) und von Übernahmen (Teile des insolventen Konsum, Meinl, Familia, Pampam, Zielpunkt und andere). „Es ist kein Stein auf dem anderen geblieben“, sagt Drexel. Das gilt auch für die Supermärkte selbst. War ein Spar-Geschäft Anfang der 1970er Jahre im Schnitt 80 Quadratmeter groß, sind es heute 800.
Das Sortiment wuchs mit. Ein wichtiger Umsatzbringer war für Spar der Ausbau der Eigenmarken, deren Anteil an den Erlösen in den letzten 15 Jahren auf mehr als 40 Prozent gestiegen ist. Nicht nur forcierte und verantwortete Drexel dieses Programm, er prägte entscheidend Markenauftritt und Image des Konzerns. Dazu gehört, dass er sich in gesellschaftspolitischen Fragen selten ein Blatt vor den Mund nahm, etwa in den emotionalen Debatten um den Freihandel. „Ich bin nicht dagegen“, sagt er nun, „aber wir haben uns erlaubt, auf Missstände hinzuweisen.“
Von der Pike auf
Das Handelsimperium ist zu 93 Prozent im Besitz der Gründerfamilien Drexel, Poppmeier und Reisch. Einen Gang an die Börse schließt Drexel für alle Zeit aus. „Das ist ein Tabu. Geht man an die Börse, hat man einen anderen Fokus als Unternehmer. Man fokussiert sich auf die Entwicklung des Börsenkurses statt auf die Erfüllung der Kundenbedürfnisse.“
Auch der studierte Jurist Fritz Poppmeier, seit heute Vorstandschef, gilt als versierter Vollbluthändler – und setzt die Familientradition fort. Sein Großvater und Vater waren Lebensmittelgroßhändler, gründeten 1958 die Handelsvereinigung Spar in der Steiermark und waren damit Wegbereiter des Erfolges. Der Vater von drei Kindern lernte das Geschäft von der Pike auf: „Ich habe meinen Vater oft im Geschäft besucht, durfte mit zu Kaufleuten fahren, bei Inventuren helfen und habe früh gelernt, wie Handel funktioniert und Produkte entstehen.“ 1994 startete Poppmeier seine Laufbahn bei Spar, 1999 rückte er in den Vorstand auf, der nun auf fünf Sitze vergrößert wurde. Ein Grund sei, so wird betont, dass sich die Gruppe noch stärker als mitteleuropäischer Handelskonzern ausrichten wolle.