Obwohl Österreichs Wirtschaft wegen der Corona-Pandemie in der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg steckt, ist die Anzahl der Firmenpleiten mit rund 3.000 heuer so niedrig wie vor drei Jahrzehnten. Was auf den ersten Blick wie eine gute Nachricht aussieht, könnte noch zum Boomerang werden, warnt der Kreditschutzverband KSV1870 - denn mit Staatshilfen künstlich am Leben erhaltene Firmen könnten durch Dumpingpreise auch bisher gesunde Unternehmen in den Abgrund reißen. Mit einer starken Zunahme der Pleiten um 20 bis 25 Prozent rechnet der KSV ab dem Frühjahr.

Die Firmenpleiten sind laut KSV heuer gegenüber dem Vorjahr um knapp 40 Prozent auf gut 3.000 zurückgegangen, wobei die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer mit 16.300 nur um 5,2 Prozent niedriger war. Die geschätzten Insolvenzverbindlichkeiten waren hingegen mit knapp 3 Milliarden Euro um fast drei Viertel höher als im vergangenen Jahr - allerdings ist darin auch die Pleite der burgenländischen Commerzialbank enthalten, die allein 800 Millionen Euro ausmacht.

Schluss mit Gießkanne

Die Hilfsmaßnahmen der Regierung für Unternehmen waren zunächst richtig und wichtig, sagte der Leiter der KSV1870 Insolvenz, Karl-Heinz Götze, am Mittwoch bei der Präsentation der aktuellen Insolvenzzahlen - nun müsse man aber vom Gießkannen-Prinzip abweichen und die Staatshilfen viel gezielter einsetzen und nur jenen Unternehmen zukommen lassen, die nicht schon vor der Krise nicht mehr lebensfähig waren. "Für eine gesunde Volkswirtschaft ist es wichtig, dass das Insolvenzrecht regelkonform zum Einsatz kommen kann", so Götze.

Auch die Privatkonkurse waren heuer trotz der Coronakrise rückläufig - das hat aber andere Gründe, erklärte KSV-Chef Ricardo-Jose Vybiral. "Wir beobachten aktuell ein bekanntes Phänomen: In Zeiten, in denen es der Wirtschaft nicht so gut geht, steigen vor allem deshalb die Privatpleiten nicht, weil Konsumenten im Umgang mit ihrem Geld vorsichtiger sind. Mehr private Verschuldung kommt eher in Zeiten vor, in denen es uns besser geht." Die eröffneten Schuldenregulierungsverfahren gingen gegenüber dem Vorjahr um 21,6 Prozent auf 7.411 zurück, die geschätzten Insolvenzverbindlichkeiten von Privaten sanken um 18,7 Prozent auf 1,138 Milliarden Euro.

Unternehmen, die finanziell auf der Kippe stehen, rät der Kreditschutzverband übrigens explizit, lieber ein geordnetes Sanierungsverfahren anzugehen, als die letzten finanziellen Reserven zu verbrauchen. Götze ermutigt dazu, damit „sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen“. Immerhin 30 Prozent aller Sanierungsverfahren in Österreich würden erfolgreich abgeschlossen. 80 Prozent der Schuldenlast falle damit weg. Denn wenn gar kein Geld mehr da ist, um überhaupt ein Insolvenzverfahren abwickeln zu können, führt der Weg nur noch in die Unternehmensschließung.

Regionale Unterschiede

Auch in der Steiermark ist die Zahl der Firmenpleiten zurückgegangen - allerdings weniger stark als in den übrigen Bundesländern. Im Jahr 2020 wurden über das Vermögen von 244 steirischen Unternehmen Insolvenzverfahren eröffnet und kam es zu insgesamt 145 nicht eröffneten Verfahren. "Dieser Rückgang spiegelt aber nicht den tatsächlichen Zustand der steirischen Wirtschaft wider", berichtet Rene Jonke, Leiter des KSV1870 Standortes Graz. Was auffällt: Trotz deutlich weniger Firmenpleiten ist die Zahl der betroffenen Dienstnehmer in der Steiermark um 13,6 Prozent auf 3078 Personen gestiegen.

In Kärnten ist das Insolvenzniveau heuer das niedrigste seit 30 Jahren, so Barbara Wiesler-Hofer, Leiterin des KSV 1870 in Kärnten. Die Zahl der Insolvenzen sei gegenüber dem Normalbetrieb um fast 44 Prozent auf 183 Fälle gesunken, die Passiva um rund ein Viertel auf 63 Millionen Euro. Die Zahl der betroffenen Dienstnehmer sei jedoch relativ gleich hoch. Im österreichweiten Durchschnitt sei die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 40 Prozent gesunken. Kärnten verzeichne damit das viertgrößte Minus. Der Rückgang der Insolvenzen spiegle sich in allen Branchen wider. Der größte Konkurs in Kärnten war jener der Mandler GmbH aus Greifenburg mit Passiva in Höhe von 8,5 Millionen Euro.