Der mit der Überwachung der EU-Budgetregeln in Österreich betraute Fiskalrat rechnet mit insgesamt 60,8 Milliarden Euro Kosten durch die Corona-Krise. Die Mehrbelastung teilt sich auf in 38,3 Milliarden Euro im Jahr 2020 und 22,5 Milliarden 2021, wie Martin Kocher, Chef des Fiskalrates, erklärt. Kocher - er verantwortet erstmals den am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht - spricht in dem Zusammenhang von einem "annus horribilis", also von einem schrecklichen Jahr.

Die Staatsschulden werden bis Ende 2020 auf 84,8 Prozent und kommendes Jahr auf 87,1 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) ansteigen. In absoluten Zahlen heißt das: Österreichs Schulden wachsen heuer auf die Summe von 317,5 Milliarden und nächstes Jahr auf fast 340 Milliarden Euro an. 2020 rechnet der Fiskalrat mit einem Budgetdefizit in der Höhe von 10,1 Prozent des BIP, 2021 mit 6,4 Prozent, das sind historisch hohe Werte. "Diese Verschlechterungen werden uns noch lange beschäftigen, es geht darum, möglichst gut durch die Krise zu kommen", sagt Kocher.

In den Berechnungen berücksichtigt sind bereits die Verschärfungen des zweiten Lockdown, nicht aber ein mögliches drittes Herunterfahren der Wirtschaft. "Wir hoffen, dass das nicht kommt", sagt Kocher.

Deutschland steht besser da

Bemerkenswert ist, dass die Kennzahlen in Deutschland durchwegs besser sind, die Kosten der Krise also geringer ausfallen als in Österreich. Das Budgetdefizit bei unseren Nachbarn werde heuer nach Berechnungen 5,6 und 2021 3,5 Prozent ausmachen, die Staatsschuld Deutschlands kommt demnach auf 72,1 Prozent (2020) bzw. 71,1 Prozent (2021). Kocher führt dies unter anderem auf geringere Infektionszahlen in Deutschland und auf höhere öffentliche Investitionen in Hilfsprogramme in Österreich zurück.

Die massiven Maßnahmen zur Krisenbewältigung begrüßt der Fiskalrat. Seit der letzten Schätzung Ende Oktober sind die Kosten noch einmal um sieben Milliarden Euro gestiegen. Allerdings empfehlen die Experten (und zwar einstimmig, wie Kocher betonte) nach Ende der Pandemie eine "gut vorbereitete, aber konsequente Rückkehr zu nachhaltiger Budgetpolitik".

Vor dem Reformstau

Brauchen werde es dafür aus Kochers Sicht zwar keine Sparpakete, aber Strukturreformen bei Steuern (Stichwort: Ökologisierung), Förderungen, Föderalismus, Klimaschutz sowie Pflege und Pensionen. Außerdem fordert der Fiskalrat, dass nicht nur Gesetzespläne der Regierung einer Folgenabschätzung unterzogen werden, sondern auch Gesetzesinitiativen des Parlaments. Wie es mit der Kurzarbeit weiter geht, soll laut Kocher im ersten Quartal 2021 geklärt werden. Kocher pocht freilich auf eine Stärkung des so wichtigen Arbeitsmarktes. "Dass Kurzarbeit mit Weiterqualifizierung verknüpft wird, ist gut, aber es sollte noch intensiviert werden", erklärt er.

"Es geht nicht darum, die Schulden nach unten zu bringen. Der entscheidende Punkt ist, auf einen nachhaltigen Budgetpfad zu kommen", sagt Kocher. Unterstützung kommt von den niedrigen Zinsen: Die Zinszahlungen des Bundes werden trotz steigender Schulden sinken, wie Fiskalrats-Experte Bernhard Grossmann erklärte. Und auch ein EU-Defizitverfahren droht wegen der außergewöhnlichen Situation nicht. Die "general escape clause" des Stabilitätspakts bringe hier eine "Verschnaufpause".

Martin Kocher
Martin Kocher © APA/HERBERT PFARRHOFER

Geld für Gemeinden

Mehr Geld vom Bund brauchen werden seiner Einschätzung zufolge die Gemeinden. Die von der Regierung zur Verfügung gestellte Fördermilliarde deckt aus Sicht des Fiskalrats lediglich den Verlust der Gemeinden durch die Steuerreform ab, nicht aber die Folgen der hohen Arbeitslosigkeit. Diese führt nämlich dazu, dass die Kommunalsteuer - eine der Hauptfinanzierungsquellen der Gemeinden - deutlich weniger Einnahmen abwirft. Damit sitzen die Gemeinden 2020 und 2021 auf einer "Finanzierungslücke" von bis zu 1,2 Milliarden Euro, die aus Sicht des Fiskalrates geschlossen werden muss.

Kocher verwies auf die große Bedeutung der Gemeinden für die "Daseinsvorsorge" - etwa als Schulerhalter und Betreiber von Kindergärten. "Da sollte es zu keinen ganz großen Disruptionen kommen", warnt der Wirtschaftsforscher, der auch das Institut für Höhere Studien (IHS) leitet. Bei der nächsten Reform des Finanzausgleichs sollte aus seiner Sicht auch überlegt werden, wie die Gemeindefinanzierung krisenfester werden kann. Die Kommunalsteuer wird nämlich von der Lohnsumme berechnet und sinkt bei steigender Arbeitslosigkeit.