Sonntagabend. Ein schlechter Zeitpunkt für das Ausbrechen einer Revolution, die Stimmung sinkt parallel zur schwindenden Bandbreite. Der Test von Googles neuer Spieleplattform Stadia wird so rasch zur emotionalen Achterbahnfahrt und NBA 2K21 zum Stocksport.
In „flüssigen“ Zeiten macht der vielseitige und unkomplizierte Dienst Spaß, egal ob man dort Landschaften von PlayerUnknown's Battlegrounds erkundet oder die Trucks von Monster Jam lenkt, im Hauptabendprogramm taugt er bei durchschnittlicher Internetverbindung kaum. Dabei legt Google die Latte ohnehin niedrig und empfiehlt eine Downloadgeschwindigkeit von mindestens 10 Mbit/s. Die grafische Darstellung orientiert sich dabei stets an der zur Verfügung stehenden Bandbreite – desto weniger zur Verfügung steht, desto verschwommener das Bild. Oberstes Credo: den Abbruch eines Spiels verhindern. Auch das klappt im Test nicht immer.
Warum die Internetverbindung essenziell ist? Google Stadia basiert auf Streaming. Die gesamte Rechenleistung findet in der „Cloud“, also in Googles Rechenzentren, statt, Nutzer kommen ohne langatmige Updates oder Downloads aus. Konsole gibt es keine mehr. Selbst den hauseigenen Stadia-Controller braucht es eigentlich nicht. Kompatibel sind auch andere Gamepads wie Sonys Playstation-Controller oder Microsofts Xbox-Äquivalent.
„Das Display benötigt man bei Stadia nur mehr zur Darstellung und prinzipiell ist es egal ob es im Fernseher oder künftig im Fenster verbaut ist“, sagt Martin Filipp von Pioneers, dem Verband der österreichischen Spieleentwickler. Filipps Wiener Studio Mi’pu’mi Games programmiert schon heute an Stadia-Spielen mit, der Entwickler selbst sieht den Google-Dienst stellvertretend für einen „Bereich, in den die Spieleindustrie hingehen wird“.
Rechenleistung wird unbemerkt ausgelagert
Filipp: „Der Zeitpunkt ist schwer vorauszusagen, aber ich denke, in 20 Jahren gibt's kein Kasterl mehr“. Tatsächlich arbeitet nicht nur Google an cloud-basierten Spieleplattformen. Microsoft tüftelt intensiv daran, Nvidia hat „Geforce Now“ und Amazon stellte erst Ende September „Luna“ vor. Außerdem, so Filipp, haben selbst Anbieter wie Sony, mit einer sehr starken Konsole in der Hinterhand, schon jetzt viel Rechenleistung in die Cloud "ausgelagert". Kunden aber, erklärt Filipp, "bekommen das oft gar nicht mit".
Stadia ist mit dem heutigen Start in Österreich jetzt jedenfalls in weltweit 22 Ländern verfügbar. Gespielt werden können die Streams auf der Plattform per Chrome-Browser über Laptop und PC, auf Android- Smartphones und -Tablets sowie über TV-Geräte, wobei hier Googles Chromecast die technische Verbindungsstütze ist. Die Anmeldung funktioniert über ein Google-Konto.
Apple sperrt sich bis dato. Selbst eine Umgehungsvariante, wonach man Stadia-Spiele über einen eigenen Browser am iPhone spielen konnte, kappte der Konkurrent aus Cupertino. Wenngleich sich die Wogen zu glätten scheinen. In wenigen Wochen beginnt bei Stadia immerhin die öffentliche Testphase für iOS-Geräte.
Sorgten zu Beginn von Stadia, das vor einem Jahr offiziell startete, vor allem fehlende Inhalte für Kritik, spricht Google mittlerweile von „mehr als 100 Spielen“ im Stadia-Universum. Bis Jahresende sollen es gar 120 sein. Die meisten Blockbuster á la Read Dead Redemption oder NBA 2K21, kosten, mehr als 30 Spiele sind aber bereits auch im stets wachsenden „Pro“-Abo enthalten. Für dieses verlangt Google monatlich 9,99 Euro, gespielt werden kann dann mit bis zu 4K/60fps/HDR. Die Basisvariante des Dienstes ist kostenlos.