Seit acht Monaten ist Peter Oswald bei Europas größtem Recycling-Kartonerzeuger an Bord. Jetzt steigt der neue Chef beim börsennotierten Familien-Konzern richtig aufs Gas.Mehr als 100 Millionen Euro nimmt Mayr Melnhof in den kommenden beiden Jahren für das steirische Stammwerk Frohnleiten in die Hand. Die Devise dabei: „Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Wachstum.“
Hinter der „mutigen Entscheidung, historischen Entscheidung“, wie Oswald in einer Online-Pressekonferenz ausführt, steht ein großer Plan: Mayr Melnhof will den Herstellern von Plastikverpackungen massiv Marktanteile abjagen.
Die Zeiten dafür sind günstiger denn je. Die ehrgeizigen EU-Pläne für Plastik-Recycling dürften Kunststoffe verteuern. Oswald pocht deshalb im Beisein von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) auf die „schon sehr lange geplante Kunststoffsteuer“, im Sinne der „Chancengleichheit“. Der Bund unterstützt die Investition mit 4,4 Millionen Euro über die Investitionsprämie, für die es inzwischen 53.000 Anträge über 22 Milliarden Euro gibt. Die Beschränkung, das maximal Investitionen bis 50 Millionen Euro gefördert werden, sollte aufgehoben werden, wünscht sich Oswald von Schramböck.
570 Arbeitsplätze gesichert
In Frohnleiten wird mit einem bedeutenden Teil der 100 Millionen Euro die große der beiden Kartonmaschinen digitalisiert, konkret mit Sensoren gespickt. Dadurch wird sie durch weniger Umrüstarbeiten beschleunigt, zudem ist ein geringerer Einsatz von Recycling-Fasern bei gleichbleibender Kartonstabilität möglich. Das soll eine zehnprozentige Mengenerweiterung bringen. Neue Jobs verspricht Oswald nicht, aber die Maßnahmen würden die 570 bestehenden Arbeitsplätze sichern. Jährlich werden bei MM in der Steiermark 550.000 Tonnen Karton erzeugt, das ist ein Drittel der gesamten Kartonproduktion des Konzerns und ein Fünftel des europäischen Recyclingkarton-Verbrauchs. Von der Corona-Krise ist der Konzern nur wenig betroffen, weil sich MM-Karton vor allem in vielen Artikeln des täglichen Gebrauchs findet. Schachteln für Cornflakes, Bonbons oder Hygieneartikel sind einige wenige Beispiele.
Insofern hofft Oswald auch auf Druck durch die Konsumenten, dass Plastik noch viel stärker als bisher durch Karton ersetzt wird. Wie einfach das sein kann, zeigt er anhand einer typischen Plastik-Obsttasse für Kiwi und einer Faltbox aus Karton, in der die Kiwi in Reih und Glied liegen. Oder mit Mozartkugeln, die einmal in Plastik und einmal in einer Kartonschachtel verpackt sind.
Weitere Kartonmaschine
Neben der bereits seit vielen Jahren hohen Papier-Recyclingquote von 80 Prozent – die Fasern sind 15- bis 20-mal wiedereinsetzbar – sei die natürliche Zerfallszeit von einem halben Jahr in der Umwelt im Gegensatz zu 500 Jahren bei Plastik ein wichtiges Argument.
Die Pläne des neuen Chefs reichen bereits weit über die gerade bekannt gegebene Investition hinaus. Für mehr Wachstum braucht MM in Frohnleiten voraussichtlich eine weitere Kartonmaschine, bestätigt Oswald im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. In drei bis vier Jahren soll bereits der nächste Investitionsschub in einer ähnlichen Größenordnung wie jetzt folgen.