"Es ist angerichtet", würde wohl manch etablierter Sportkommentator sagen.
An diesem Wochenende nämlich findet die Saison der größten heimischen eSports-Liga mit einem ganztägigen Online-Live-Event ihr Ende. Der Wiener Gasometer bietet das Ambiente, betreten wird er heuer aber nur von ein paar Moderatoren und einem kleinen Veranstaltungsteam. Spieler und Zuseher müssen zu Hause bleiben.
Dabei hätte die Leistungsschau in Wien optischer Ausdruck einer rasant wachsenden Szene sein sollen. "Dieses Jahr nahmen bereits über 15.000 eindeutige Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit über 250 Spielstunden an den Bewerben teil", erzählt Manuel Haselberger vom eSport Verband Österreich. Im Jahr davor waren es noch knapp 10.000. Die 138 Besten der Besten matchen sich nun in fünf Klassen um die Titel, gespielt wird bei den "A1 eSport Fall Finals 2020" League of Legends, Clash Royale, Brawl Stars, Fortnite und Rocket League.
Dabei ist es freilich nicht nur die Liga selbst, die Wachstum registriert. Von "50.000 österreichischen eSportlern" spricht der Verband heute und verweist auf all jene Spielerinnen und Spieler, die bei Turnieren und Meisterschaften teilnehmen oder Vereinsmitglieder sind.
"Wir erleben seit 2017 einen starken erneuten Aufschwung des eSports", sagt Haselberger. In den frühen 2000er-Jahren hätte es bereits einmal "hohe Akzeptanz" und ein "großes Interesse" gegeben, dann durchlebte die Branche aber eine Stagnation. Bevor der "zweite Frühling des eSports" (Haselberger) anbrach.
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Wie sich die allumfassende Coronakrise auf den eSport in Österreich auswirkt? "Angebot und Nachfrage sind jedenfalls nach oben gegangen", erzählt Haselberger. Aber ist der eSport als Gesamtes tatsächlich ein Krisengewinner? Die Antwort ist ein wenig komplizierter und reicht über die gesteigerte Anzahl der digitalen Sportler hinaus.
"Die Branche ist trotzdem kein Krisengewinner, da sich eine gestiegene Nutzung nicht direkt in parallel dazu steigende Umsätze übersetzen lässt", wird etwa Sebastian Steinbach vom Verband der deutschen Games-Branche ("game") dieser Tage in deutschen Medien zitiert. Auch Manuel Haselberger kann der Einschätzung einiges abgewinnen. Das liege wohl in der "Natur des Internets", erzählt er. Dort habe man einfach gelernt, Dinge kostenlos angeboten zu bekommen.
Dennoch glaubt der Sprecher des österreichischen Verbands nicht, dass eSport dadurch an der Ausbreitung gehindert werden kann. Zum richtig großen Geschäft könnte es auch hierzulande werden, wenn die Streams "den Weg ins lineare Fernsehen finden". Diesbezügliche Annäherung hat längst stattgefunden. Spätestens als Sky heuer gemeinsam mit der eBundesliga, dem zweiten prominenten Liga-Format hierzulande, ein Format für Facebook realisierte und dieses auf der Plattform live anbot.
Selbst in den Sportausschuss des österreichischen Parlaments schaffte es der eSport jüngst. Beschlossen wurde die Gründung einer Arbeitsgruppe, die rechtliche Unsicherheiten der jungen Branche beseitigen soll. Etwa was die Versteuerung von Preisgeld oder die Gemeinnützigkeit der eSport-Vereine betrifft.
eSport noch immer männlich dominiert
Dabei gibt es freilich auch Dinge, die man in der Branche selbst ändern möchte. Etwa die Anzahl der weiblichen Spielerinnen. Diese machen zwar an der Gesamtheit aller 5,3 Millionen österreichischen Gamer, laut Zahlen des Verbands für Unterhaltungssoftware, knapp 46 Prozent aus. Bei den professionellen eSport-Turnieren aber liegt die Zahl "teils unter fünf Prozent", wie Manuel Haselberger sagt.
Eine Minderheit ist es auch, die als professionelle Digitalsportler ausreichend verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Von "circa einem Dutzend" spricht Haselberger in Österreich. Um schnell zu ergänzen: "Auch hier verzeichnen wir eine steigende Tendenz und es werden von Jahr zu Jahr mehr." Ein Befund, der in der Betrachtung dieser Branche immer wieder auftaucht. So mitten im zweiten Frühling.