Noch im September haben Wirtschaftsforscher einen verhältnismäßig optimistischen Blick in die Zukunft gewagt. Freilich immer mit der Warnung, dass dieser sehr unsicher sei. Nun hat die zweite Welle an Corona-Infektionen Österreich erfasst und es ist eingetreten, was die Politik vermeiden wollte: Der zweite Lockdown.

Das ändert die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs, wie die Konjunkturexperten der UniCredit Bank Austria (BA) bestätigen. Im vierten Quartal 2020 wird wieder mit einer Rezession gerechnet. Und während in Europa die Fallzahlen inzwischen zurückgehen, legen sie in den USA weiter zu. Ein zweiter Lockdown sei auch dort im Jänner sehr wahrscheinlich, erklärt BA-Chefökonom Stefan Bruckbauer. Die Basis dieser Aussagen sind Analysen mehrerer Bereiche.

Bruttoinlandsprodukt

Dennoch bleibt der Volkswirt optimistisch. "Wir rechnen damit, dass mit zunehmender Verteilung der Impfung eine zügige Erholung einsetzen wird." Auf das Niveau von 2019 wird Österreich dennoch wohl erst wieder 2022 kommen.

Auch wenn 2021 in allen Branchen mit Wachstum gerechnet wird, werden sich die einzelnen Bereiche  recht unterschiedlich entwickeln. So gehören der Lebensmittelhandel, Pharma- und IT-Unternehmen zu den Gewinnern der Krise. Die Lebensmittelindustrie hat auch unter der Krise gelitten, werde aber die Schlappe wohl bis 2021 aufholen. Beim Tourismus wird 2021 mit einem kräftigen Aufschwung gerechnet, allerdings nicht genug um das Minus aus 2020 aufzuholen. Auch die übrigen Branchen werden erst nach 2021 wieder auf das Vorkrisenniveau kommen.

Privater Konsum

Während des ersten Lockdowns und wohl auch beim zweiten stieg die Sparquote der Österreicher stark an. Einerseits waren die Möglichkeiten Geld auszugeben, also zu konsumieren, deutlich eingeschränkt. Auf der anderen Seite sanken die Einkommen im Durchschnitt dank Kurzarbeit und anderer Transferleistungen nicht so stark. Die Folge: Im ersten Halbjahr ist das Vermögen Österreicher im Schnitt um elf Prozent gestiegen.

"Das ist eine wichtige Zahl für den zu erwartenden Aufschwung", sagt Bruckbauer. Dieses Geld könne bei einer Entspannung der Lage für Konsum genutzt werden. Laut der Prognose wird die Sparquote dann bis 2022 mit 8,2 Prozent wieder normale Werte erreichen. "Wenn Menschen zu viel sparen, ist das eine Belastung für die Wirtschaft", erinnert Bruckbauer.

Investitionen

Nicht ganz so optimistisch schätzt der Ökonom die Entwicklung der Unternehmen ein. Diese würden sich mit ihren Investitionen noch länger zurückhalten. Das Vorkrisenniveau werde hier wohl erst 2023 erreicht werden. "Es gibt hier bei der Nachfrage kurzfristig eine Verschiebung von Dienstleistungen zu Konsumgütern." Das treffe Österreich als Urlaubsland - Tourismus wird als Dienstleistung gewertet - deutlich stärker.

Andererseits profitieren Industriebetriebe. "Die Industriekonjunktur ist auch trotz zweitem Lockdown weiter in einer Erholungsphase", sagt Walter Pudschedl, verantwortlich für den BA-Einkaufsmanagerindex. Vor allem das starke Wachstum in Asien wirke hier unterstützend. Auch die Bauwirtschaft entwickle sich weiter positiv.

EZB

Ein wichtiger Rettungsanker in der Krise ist für die Ökonomen die Europäische Zentralbank. Hier geht man davon aus, dass im Dezember das Pandemie-Anleihekaufprogramm PEPP erneut ausgeweitet wird. Die Null-Zins-Phase werde im Euroraum noch sehr lange anhalten. Allerdings wird bis Ende 2022 auch nicht mit weiteren Zinssenkungen gerechnet. Auch in den USA gäbe es keine Anzeichen für ein Ende der lockeren Geldpolitik.

Die Kritik, dass das neue Notenbank-Geld nur in die Aktienmärkte fließen würden, lässt Bruckbauer nicht gelten. "Der Steuerzahler profitiert indirekt durch die niedrigen oder sogar negativen Zinsen, die der Staat für Schulden zahlt." Was allerdings stimme: Länder mit einem starken Sozialnetz würden weniger stark von der lockeren Geldpolitik profitieren als Staaten mit schwacher Absicherung. Außerdem würden nur wenige Österreicher Geld in Aktien investieren und könnten dadurch auch nicht am Wachstum in dem Bereich mitverdienen.

Inflation

Eng verknüpft mit der Politik der EZB ist auch die Inflation. Schließlich ist das Ziel der Zentralbank, mittelfristig eine Inflation von knapp unter zwei Prozent zu erreichen. Im gesamten Euroraum betrug die Teuerung in den ersten zehn Monaten 2020 im Schnitt 0,4 Prozent - also weit entfernt vom EZB-Ziel. In Österreich lag der Wert hingegen bei 1,5 Prozent.

"Seit zehn Jahren liegt die Teuerung in Österreich über dem Euroraum", erklärt Ökonom Pudschedl. Das mache Österreich im Vergleich zu einem regelrechten Hochpreisland. Vor allem der Unterschied zu Deutschland falle auf. Auf der anderen Seite habe diese Tatsache auch den wirtschaftlichen Absturz in der Krise etwas abgefedert. "Bei der Inflation ist es so: Die einen zahlen etwas mehr, die anderen bekommen etwas mehr." Eine Gefahr für hohe Inflationszahlen sieht der Volkswirt aber auch in der weiteren Zukunft nicht.

Arbeitsmarkt

Prinzipiell ist die Zahl der Arbeitslosen nach dem ersten Lockdown in allen Sektoren gestiegen, allerdings hat es den Tourismus besonders hart erwischt. Hier gab es im März dreimal so viele Jobsuchende wie im Jahr zuvor. Und auch bis Oktober hat sich dieser Sektor ab geringsten erholt. Der Lockdown im November und der unsichere Start der Wintersaison lassen wenig Hoffnung auf eine Erholung.

Prinzipiell gäbe es aber eine Trendumkehr, sagt Pudschedl. "Allerdings werden wir frühestens 2024 das Vorkrisenniveau erreichen." Eine spürbare Entspannung der Lage am Arbeitsmarkt werde erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 bemerkbar sein.