Donald Trump respektiert nun also doch die Verfassung und machte zu Wochenbeginn den Weg frei für die Machtübergabe an den designierten Präsidenten Joe Biden. Das zündete in der Folge an der Wallstreet ein Kursfeuerwerk: Der US-Aktienindex Dow Jones durchbrach am Dienstag die auch psychologisch wichtige 30.000er-Marke und schloss mit einem Allzeithoch von 30.046 Punkten.
Für Erste-Chefanalyst Friedrich Mostböck ist die Heftigkeit der Kursausschläge überraschend, nicht aber das positive Börsenumfeld selbst: „Es bleibt auch nichts anderes übrig. Die Notenbanken befeuern nach wie vor die Märkte, die Zinsen werden bis Ende 2022, 2023 niedrig bleiben.“ Die Aktienmärkte schreiten der Realwirtschaft voran, so Mostböck, und überkompensieren die positiven Nachrichten – dazu zählt neben der Entspannung um Biden auch das Finden von Coronaimpfstoffen – eine Mutinjektion für die Börsen.
Die guten Nachrichten aus Washington trieben die Kurse auch in Asien: Der japanische Leitindex Nikkei 225 markierte einen neuen Höchststand seit fast 30 Jahren. Auch die asiatischen Märkte mit traditionell exportorientierten Werten sind von der Erwartungen einer Konjunkturbelebung angetrieben.
Unternehmenskennzahlen zählen nicht
Die Nachrichten zu Impfstoffen in den vergangenen Wochen sind also nicht alleinverantwortlich für die Rekorde an den Börsen, erklärt Florian Wagner von der Investmentfirma Qbasis Invest. „Um die Folgen der Krise abzufedern, drucken die Notenbanken Geld.“
Gleichzeitig gebe es aber strenge Kriterien, wem die Banken eigentlich Kredit gewähren dürfen. Und so fließe das Notenbankgeld eben direkt in Immobilien und Aktien. „In diesen Bereichen entsteht dann eine Hyperinflation. Es reicht jeder Grund, um Aktien zu kaufen, egal um welchen Preis. Kennzahlen wie das KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) sind quasi abgeschafft.“ Solche Kennziffern stellen den inneren Wert eines Unternehmens dar. „Das war schon 1999 so“, warnt Wagner mit Blick auf die Dot-Com-Blase.
Bitcoin-Rallye
Frei von inneren Werten ist auch Bitcoin, Mutter aller Kryptowährungen. Auch hier nähert sich der Kurs den Rekordwerten von Dezember 2019. Zuletzt lag der Kurs bei rund 19.200 US-Dollar (16.145 Euro). Bemerkenswert: Seit Anfang Oktober hat sich der Wert einer Bitcoin mehr als verdoppelt. Auslöser war die Meldung, dass der Bezahldienst Paypal sich für Kryptowährungen öffnet. „Das war allerdings nur eine von vielen guten Nachrichten am Kryptomarkt“, erklärt Ernst Tertilt von Crypto Management, einem Investmentunternehmen für Kryptowährungen. Auch Großbanken wie JPMorgan oder JCB würden sich stärker für Kryptowährungen interessieren. „Dazu kommen neue Gesetze und Regulierungen“.
So müssen Unternehmen, die mit Kryptowährungen agieren, seit heuer bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) gemeldet werden. „Das schafft Raum für seriöse Unternehmen in diesem Bereich“, erklärt Tertilt. Das sei nur ein Unterschied zur Rally 2017. „Heute gibt es spannende Alternativen zu Bitcoin, einige davon basieren auch auf echten Werten wie Immobilien.“ Kryptowährungen bleiben dennoch ein hochspekulatives Investment mit hohem Verlustrisiko.
Öl legt zu
Im Windschatten der freundlichen Stimmung an den Börsen setzten auch die Ölpreise zur Rally an. Gestern knüpften die Preise für die Ölsorten WTI und Brent an Kursgewinne der Vortage an und stiegen auf die höchsten Stände seit März. „Die Entspannung an der wirtschaftlichen Front treibt auch die Ölpreise an“, sagt „Erste“-Chefanalyst Mostböck. „Bis wir aber Verbrauchsniveaus vor der Krise sehen werden, wird es noch lange dauern.“