Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) erwartet rund 500.000 Arbeitslose bis Ende des Jahres. Im Oktober waren rund 424.00 Personen in Österreich ohne Job. Die Coronakrise inklusive zweitem Lockdown und die traditionelle höhere Winterarbeitslosigkeit - etwa am Bau - lassen die Zahlen weiter steigen. Die krisenbedingte Arbeitslosigkeit im November und Dezember werde im Vergleich zu Ende Oktober um 20.000 auf 90.000 steigen, sagte Aschbacher am Montag in Wien.
Die Arbeitsministerin besprach zuvor am Montagvormittag die aktuelle Arbeitsmarktlage mit IHS-Direktor Martin Kocher und Wifo-Chef Christoph Badelt. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hatte vergangenen Freitag seine Wirtschaftsprognose gesenkt. Die Wirtschaftsforscher gehen für 2020 nun von 7,7 Prozent BIP-Einbruch aus, statt der noch im Oktober angenommenen 6,8 Prozent Minus. Und 2021 dürfte die Wirtschaftsleistung nur um 2,8 statt 4,4 Prozent wachsen. Die Arbeitslosenrate soll 2020 im Schnitt bei 9,9 Prozent liegen und 2021 nur leicht auf 9,7 Prozent sinken. Zum Vergleich: Die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition lag Ende Oktober bei 8,7 Prozent, ein Anstieg von 1,7 Prozentpunkten gegenüber dem Oktober 2019.
Ansteckungen reduzieren
Die Prognosen seien "keine Überraschung", sagte die Politikerin vor Journalisten in Wien. "Das nächste Jahr wird schwieriger und herausfordernder." Man habe aber eine "breit gefüllten arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkoffer" - etwa Kurzarbeit, Joboffensive inklusive "Corona-Arbeitsstiftung", Neustart-Bonus und Lehrlingsprämie, so Aschbacher.
Die Arbeitsministerin, IHS-Direktor Kocher und Wifo-Chef Badelt waren sich einig, dass ein Sinken der Corona-Neuinfektionszahlen höchste Priorität für die heimische Wirtschaft hat. "Die wichtigste Determinante für die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und am Arbeitsmarkt ist die Verbesserung der gesundheitlichen Lage und eine Reduktion der Infektionszahlen", sagte Badelt. "Im Augenblick ist das Herunterbringen der Infektionszahlen das Allerwichtigste." Wenn der aktuelle Lockdown wirke, dann werde dies auch positive Auswirkungen auf den Wintertourismus Anfang 2021 haben und die Arbeitsmarktsituation "etwas entspannen", so der Wifo-Chef.
Sorge um Langzeitarbeitslose
Badelt macht zudem die Zahl der Langzeitarbeitslosen Sorgen. Diese seien auch bei der allgemeinen Arbeitsmarkterholung im Sommer "immer oben geblieben". In diesem Bereich müsse es längerfristige Maßnahmen geben.
Auch für IHS-Direktor Kocher ist die Lage am Arbeitsmarkt aufgrund der Coronakrise "weiterhin schwierig". Ob in einem Monat - etwa im Jänner 2021 - die Arbeitslosenzahlen "besonders hoch" steigen, sei "nicht so entscheidend". Zentral sei die Verbesserung der Corona-Infektionslage, denn dann werde man "möglichst gut, am Arbeitsmarkt aus der Krise kommen." Für Kocher sind die aktuellen Arbeitsmarktmaßnahmen - etwa Kurzarbeit, Arbeitsstiftung, Lehrlingsförderung - "ein sehr guter Mix". Ohne diese Maßnahmen würde es eine "viel, viel höhere Arbeitslosigkeit" geben.
Badelt und Kocher warnten die Politik davor, coronabedingte Schulschließungen auf die leichte Schulter zu nehmen. "Die mögliche Schließung von Schulen muss man sich sehr gut überlegen", so IHS-Direktor Kocher. Dies sei mit "sehr hohen Kosten für viele verbunden". Für Badelt sind Schulschließungen "ein ziemlicher Schlag" für Frauen. Die Doppelbelastung aus Kinderbetreuung und Job wirke sich negativ auf die Produktivität aus.
Die Arbeitsministerin hatte vergangenen Samstag angekündigt, ältere und Langzeit-Arbeitslose als Corona-"Contact Tracer" an die Bundesländer zu vermitteln. Es gebe regionalen Bedarf an hunderten Arbeitskräften, sagte Aschbacher am Montag auf Nachfrage. Die Ministerin appellierte an die betroffenen Stellen den Bedarf an "Contact Tracern" beim Arbeitsmarktservice (AMS) einzumelden, damit so schnell wie möglich mit der Vermittlung begonnen werden könne.