Wir haben einen zweiten Lockdown. Wie ist die Situation heute verglichen mit dem Frühjahr?
Christa Zengerer: Der Lockdown im Frühjahr war total überraschend. Die jetzige Situation war vorauszusehen über die vielen Monate. Ich glaube, dass die Unternehmen und unsere Partnerbetriebe jetzt besser darauf vorbereitet sind. Natürlich ist es eine massive Herausforderung nach wie vor und wird auch immer massiver, je länger diese Phase dauert.
Wissen Sie, wie viele Jobs die Partnerunternehmen des ACStyria abbauen mussten?
In einer Zahl kann ich das nicht sagen. Was ich sagen kann: Die Rettungspakete, vor allem hinsichtlich der Kurzarbeit, haben viele Jobs gerettet. Ich denke, das war ein maßgeblicher Faktor, warum weniger Jobs abgebaut wurden als befürchtet
Neben der Kurzarbeit will die Regierung die Arbeitslosigkeit mit einer Ausbildungsoffensive, Stichwort Coronafonds, bekämpfen. Welche Ausbildungen müssten jetzt forciert werden?
Ganz wichtig sind die Zukunftsthemen, nach denen auch wir uns strategisch neu ausrichten. Im Bereich Digitalisierung und digitale Geschäftsmodelle braucht man sicher massiv Fachkräfte. Auch bei Themen wie den autonomen Systemen und Mobilitätsservices wird man weiter Fachleute brauchen. Viel Bedarf gibt es bei innovativen Antriebs- und Fahrzeugkonzepten. Und natürlich wird Nachhaltigkeit die Entwicklung der Zukunft der Mobilität prägen. Auch hier brauchen wir dringend gut ausgebildetes Personal.
Nach dem Einbruch im Frühjahr hat sich der Autoabsatz ja wieder etwas erholt. Aber angesichts dieser ganzen Themen, wirtschaftliche Unsicherheit, Klimaschutz, E-Mobilität: Wie wird sich der Absatz bei Pkw entwickeln?
Die Menschen brauchen irgendwann auch wieder neue Autos. Es gibt hier gewisse Zyklen, wo man seine Fahrzeuge erneuert. Andererseits ist auch die Dauer der Krise entscheidend für das Kaufverhalten der Konsumenten. Wenn ich Angst um meinen Job habe, wenn ich eine ungewisse Zukunft habe, werde ich das Geld nicht in ein neues Auto investieren. Das ist ein maßgeblicher Faktor.
Ist eigentlich das eigene Auto etwas, das es in Zukunft überhaupt noch geben wird?
Ich komme aus einer Generation, da hat das eigene Auto eine gewisse Freiheit bedeutet. Ich glaube, das ändert sich gerade. Wenn man aber einen überzeugten Autofahrer von seinem Pkw wegbringen will, muss man attraktive, unkomplizierte und preiswerte Alternativen anbieten.
Die Flugzeugindustrie – ein wichtiger Teil des Clusters – liegt am Boden. Wird es wieder Flugverkehr wie vor Corona geben?
Es wird sicher zwei bis drei Jahre dauern, bis wir auf das Niveau zurückkehren, das wir vor Corona hatten – wenn überhaupt. Was sich schon reduzieren könnte, sind die Businessflüge. Die Urlaubsflüge werden allerdings wieder auf ein bekanntes Niveau zurückkehren.
Ein Profiteur des neuen Klimabewusstseins ist die Bahn. Reicht das, um der aktuellen Krise zu trotzen?
Alle Betriebe, die im Bahnbereich tätig sind, mussten so gut wie gar keine Einschnitte hinnehmen, die haben sogar Zuwächse in manchen Bereichen. Bahn boomt und das wird auch zukünftig so sein.
Wie sieht es mit den technischen Entwicklungen hier aus, wann fahren die Züge autonom?
Die Bahn ist ja das Verkehrsmittel, das schon am längsten autonom fährt, schon seit vielen Jahren. So vollautonom, wie wir uns das vorstellen, das wird noch etwas dauern.
Gibt es hier auch schon Teststrecken, wie die Autobahn für autonome Autos?
Wir sind gerade dabei, hier mit Partnern und den ÖBB mögliche Teststrecken auszuloten. Man muss hier auf die Sicherheit der Passagiere achten. Wenn man auf einer echten Bahnstrecke fährt, da müssen die Systeme zu 100 Prozent funktionieren.
Bei Autos ist inzwischen klar: Autonomes Fahren ist nicht so leicht wie gedacht. Wird es das wirklich irgendwann geben?
Vollautonomes Fahren ist schon realistisch. Aber es vergehen noch einige Jahre bis dieser Traum Wirklichkeit wird, dass ich mich zu Hause ins Auto setze und die Augen erst wieder aufmache, wenn ich am Zielort angekommen bin. Es ist nicht unrealistisch, aber es dauert noch.
In seinen 25 Jahren gab es auch für den ACStyria ein Auf und Ab. Was konnte man aus den bisherigen Krisen lernen?
Die Finanzkrise war natürlich für die ganze Mobilitätsindustrie ernst. Die Steirer haben massiv Forschung und Entwicklung aufgewertet und ich glaube, das ist eine der Stärken des Clusters. Ganz entscheidend war für uns und unsere Partnerbetriebe der Schritt 2012, als wir uns vom Autocluster zum Mobilitätscluster gewandelt haben. Wir entwickeln uns auch laufend weiter und nehmen nun Themen von Digitalisierung über innovative Antriebe, Mobilitätsservices, autonome Systeme bis Klimawandel in den Fokus.
Roman Vilgut