Verdoppelt, ja teilweise verzehnfacht haben sich die Datenvolumina, die im Frühjahr während des Lockdowns über die Server von Anexia liefen. Auch jetzt sind die Server-Kapazitäten um gut ein Viertel höher als vor dem Lockdown. Als Anbieter von IT- und Cloud-Services gilt Anexia mit Sitz in Klagenfurt als Europas Antwort auf Google und Amazon. Weltweit vertrauen Unternehmen auf die Kärntner – von der Lufthansa über BMW bis zu McDonald’s lagern weltweit Konzerne zumindest Teile ihrer IT an Anexia aus.
Mitarbeiterstand wächst stetig
Dort bereitet man sich schon seit Längerem auf die Rückkehr vieler Kunden ins Homeoffice vor: „Wir haben daher in den letzten Wochen große Mengen an Infrastruktur und Kapazität im mittleren siebenstelligen Euro-Bereich zugekauft.“ Auch die Belegschaft wurde erweitert, aktuell sind 275 Mitarbeiter bei Anexia, deren Alleineigentümer Windbichler ist, beschäftigt. „Wir schaffen jetzt bewusst noch mehr Überkapazitäten. Wenn jetzt Lockdowns kommen, wird die Last in unseren Systemen weiter steigen.“
Investition in Aufbau von Lagerbeständen
Dafür gehe man auf Nummer sicher – und sorgt vor. Denn die Systeme werden in Polen und Tschechien „zusammengebaut“, Länder, in denen pandemiebedingte Einschränkungen stark zunehmen; auch Transporte sogar aus Deutschland dauern teilweise viel länger. „Wir investieren daher bewusst in den Aufbau von Lagerbeständen – eine Risikomaßnahme, die viel Kapital bindet.“ Die Unwägbarkeiten sind hoch – „keiner weiß, wie das Weihnachtsgeschäft heuer laufen wird: Das kann exorbitant viel sein – oder exorbitant wenig. Oder gleich wie im Vorjahr.“ Deshalb bereitet Anexia die technologischen Kapazitäten für seine Kunden auf steigende Belastungen vor.
"Das Ganze hängt an einem seidenen Faden"
Das Geschäftsmodell von Anexia, im Fokus stehen Cloud-Services, sei schon vor Corona zukunftsfähig gewesen. Jetzt habe es sich auch als krisensicher erwiesen. „Wir haben sehr viele kritische Unternehmensinfrastruktur.“ Ein „Schnitzer“ – etwa einmal nicht erreichbar zu sein – würde reichen, um viel Vertrauen zu zerstören. „Das Ganze hängt an einem seidenen Faden. Es ist wichtig, dass man uns vertraut, weil man etwas ganz Wichtiges hergibt“ – nämlich Daten. Die seien heute ähnlich wie Geld – „Vertrauen und Integrität sind für uns daher ein ganz wichtiges Thema. Alles, was darauf einzahlt, hilft uns.“
Europäisch zu sein kann elementar werden
Etwa die Tatsache, ein durch und durch europäischer Cloud-Dienstleister zu sein. Die ist zwar für Windbichler essenziell – bei den Kunden müsse das Bewusstsein dafür aber noch geschärft werden. „Manche glauben, wenn die Systeme in Europa stehen, passt das schon. So ist es aber nicht, weil die USA oder China sehr wohl Zugriff haben können.“ Nicht so bei Anexia. Deren Vorteil, europäisch zu sein, wäre „in einer brenzligen Situation“ wohl elementar. Aber viele Kunden machten sich zu wenige Gedanken, wo ihr geistiges Eigentum, Daten und damit die Betriebsfähigkeit tatsächlich liegen. „Mich persönlich würde es nervös machen, wäre es woanders.“ Kärnten, Österreich und Europa sollten daher verstärkt in technologische Unabhängigkeit investieren, fordert Windbichler. Derzeit betreibt Anexia 97 Rechenzentren weltweit.
"Jetzt kann uns nichts überraschen"
Noch im März meinte Windbichler im Gespräch mit der Kleinen Zeitung, „keiner, der seriös ist, kann sagen, wir schaffen das“. Heute schätzt Windbichler die Lage schon ganz anders ein: „Bei der ersten Welle gab es deutlich mehr Ängste, auch bei unseren Kunden. Jetzt kann uns nichts überraschen.“ So viel Selbstbewusstsein bedeute aber nicht, dass er „nicht auch großen Respekt vor dem, was kommt“, habe.
"Unternehmen sind weniger verwundbar"
Waren Cyberattacken im Frühjahr nach der Übersiedelung Abertausender Mitarbeiter ins Homeoffice noch ein großes Thema, so hat deren Zahl nun deutlich nachgelassen. Viele Firmen, anfangs leichte Ziele, besserten nach. „Die Unternehmen sind heute weniger verwundbar.“ Auch Anexia selbst setzt auf das Homeoffice – aber nicht uneingeschränkt: Der Fokus liege darin, den bestmöglichen Kompromiss zwischen Betriebssicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter zu erzielen. Windbichler meint damit aber nicht nur die körperliche, sondern auch die psychische Gesundheit. Da habe es sich gezeigt, dass Heimarbeit belastend sein kann. „Nur Homeoffice würde sozial nicht funktionieren.“
Die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter würden jedenfalls mobiler werden, die Angestellten verstärkt zwischen daheim, auswärts und dem Büro wechseln. Büroräumlichkeiten werde Anexia jedenfalls nicht reduzieren, sondern erweitern.
"Ich bin ungern im Mittelpunkt"
Windbichler, der keinen Wert auf Selbstdarstellung legt („Ich bin ungern im Mittelpunkt“), überraschte kürzlich, als er österreichweit als Werbe-Testimonial der Erste Bank in Erscheinung trat. Beim Einkaufen oder auf offener Straße wird er aber nicht angesprochen: „Da trage ich eine Maske, anders als auf den Plakaten“, meint er schmunzelnd. Und verrät: „Es ist gut, unterschätzt zu werden.“