Ein zweiter Lockdown würde Österreichs Wirtschaft "extrem belasten" und die Wirtschaftsprognosen für heuer und 2021 über Bord werfen, sagte Wifo-Chef Christoph Badelt am Dienstag. Einen Zusammenbruch der heimischen Wirtschaft in dem Sinn, "dass man nicht mehr das bekommt, was man kaufen will", befürchtet Badelt zwar nicht, aber für den sehr wichtigen Wintertourismus zeichne sich so etwas wie ein schleichender Lockdown ab.
Dies allein durch die Reisewarnungen und die steigenden Infektionszahlen sowohl in Österreich als auch in Ländern, wo Österreich-Urlauber potenziell herkommen, wie der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im Ö1-Mittagsjournal sagte. Für einen Tourismusbetrieb sei es letztlich egal, "ob er zusperren muss, weil keine Gäste kommen oder ob man ihm anordnet, dass er zusperren muss".
Allein der Mehr-oder-weniger-Zusammenbruch des Wintertourismus könnte die Wachstumsrate um bis zu eineinhalb Prozentpunkte drücken, so Badelt. "Mehr als die Hälfte des üblichen Jahresproduktionswerts des Tourismus haben wir im Wintertourismus."
Stärkerer Rückgang
Bisher ist das Wifo für heuer von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Ausmaß von 6,8 Prozent ausgegangen, für nächstes Jahr ist ein Plus von 4,4 Prozent erwartet worden. Das habe man aber unter der Annahme gerechnet, dass Österreich die Coronapandemie nächstes Jahr in den Griff bekommt und kein zweiter Lockdown vonnöten ist, so Badelt. Das Wifo habe aber auch Alternativszenarien mit Lockdown gerechnet: In diesem Fall würde die Wirtschaftsleistung heuer um mehr als 9 Prozent absacken und nächstes Jahr gäbe es mehr oder weniger eine Stagnation. "Auch die Arbeitslosenrate würde sich massiv steigern", sagte der Wifo-Chef.
Nun sei die Politik gefragt. Ohne wirtschaftspolitische Gegensteuerungsmaßnahmen würden sich die Pleiten sowie die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen. Es hänge sehr davon ab, inwieweit die Regierung gegenwärtig befristete Maßnahmen wie die Kurzarbeit oder den Fixkostenzuschuss verlängern würde.
Es sei gut, die Wahrheit auf den Tisch zu legen. "Wenn die Zahlen weiter so hoch bleiben, werden wir schon alleine wegen des Zusammenbruchs des Wintertourismus in eine noch viel massivere Wirtschaftskrise kommen", so Badelt. Und sollte es aufgrund stärker steigender Infektionszahlen zu einem Lockdown weiter Wirtschaftsbereiche kommen, müsste die öffentliche Hand "noch viel mehr in die Tasche greifen" als derzeit im Budget geplant ist, um den Betrieb am Laufen zu halten.
Zur Kritik, dass staatliche Hilfsmaßnahmen zu spät und unzureichend ankämen, sagte Badelt: "Es ist schon ein Konjunkturprogramm in großem Ausmaß unterwegs, aber es stimmt, es ist noch nicht alles angekommen." Man müsse sich ansehen, ob das etwa an bürokratischen Hürden liege. Bei vielen Konjunkturprogrammen trete die Wirkung erst mit gewisser Verzögerung ein.