Jedes Jahr fließen Dutzende Milliarden Euro aus Brüssel an Europas Landwirte. Für viele ist das Geld aus dem EU-Haushalt existenziell. Aber nach welchen Kriterien wird es verteilt? Und an welche Auflagen müssen die Bauern sich halten?
Seit mehr als zwei Jahren verhandeln die EU-Staaten, aber auch das EU-Parlament über eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für die Jahre 2021 bis 2027. Beide Seiten wollen sich in dieser Woche auf ihre Positionen einigen und damit den Weg für Verhandlungen miteinander freimachen. Den Anfang haben am Montag die Landwirtschaftsminister bei einem zweitägigen Treffen in Luxemburg gemacht.
Was ist die GAP überhaupt?
Die gemeinsame EU-Landwirtschaftspolitik spielt in Europa schon lange eine herausragende Rolle. 1962 wurde sie ins Leben gerufen, um vor allem zwei Ziele zu erfüllen: Sie soll zum einen sicherstellen, dass Bauern ein "angemessenes" Einkommen haben. Und zum anderen soll sie eine sichere Nahrungsmittelversorgung in Europa gewährleisten. Im Laufe der Jahre kamen nach und nach Klima- und Umweltvorgaben hinzu.
Derzeit fließen jedes Jahr etwa 58 Milliarden Euro Fördergelder - rund 40 Prozent des EU-Budgets - in den Sektor. Für die kommenden sieben Jahre haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro vorgesehen. Ein Großteil des Geldes geht bisher in der sogenannten ersten Säule als Direktzahlungen an die Bauern. Die Summe richtet sich in erster Linie nach der Größe der bewirtschafteten Fläche. Ein kleinerer Teil des Geldes geht in der zweiten Säule unter anderem in die Entwicklung des ländlichen Raums.
Warum ist die GAP-Reform so wichtig?
Die Gemeinsame Agrarpolitik ist der mit Abstand größte Posten im EU-Haushalt. Viele Landwirte sind von den Direktzahlungen aus Brüssel abhängig, fürchten aber zugleich zu hohe Umweltauflagen. Mitte 2018 hat die EU-Kommission die Reform für 2021 bis 2027 vorgeschlagen. Umweltschützer sehen die Chance, eine ökologische Wende mit deutlich mehr Klima- und Umweltschutz einzuleiten.
Was hat die EU-Kommission vorgeschlagen?
Das Konzept der EU-Kommission führt unter anderem sogenannte Strategiepläne ein, durch die die EU-Staaten mehr Freiheiten bekommen sollen. In diesen Plänen müssen sie darlegen, wie sie eine Reihe vorgegebener Ziele erreichen wollen - etwa die Erhaltung der Natur, den Klimaschutz und die Sicherung der Lebensmittelqualität. Die EU-Kommission muss dann über die Genehmigung der Pläne entscheiden.
Eine entscheidende Neuerung für den Umweltschutz sollen sogenannte Öko-Regelungen werden, die jedes Land anbieten muss. Das sind Umweltvorgaben, die über die verpflichtenden Anforderungen - die sogenannte Konditionalität für den Bezug der Direktzahlungen - hinausgehen. Erfüllt ein Landwirt sie, bekommt er Extra-Geld. Sie sollen ein Teil der ersten Säule sein, die bisher größtenteils aus den Direktzahlungen an die Landwirte besteht.
Für die Direktzahlungen hat die Behörde zudem eine Obergrenze vorgeschlagen. Ab 60.000 Euro pro Betrieb sollten die Gelder reduziert und bei 100.000 Euro vollständig gekappt werden. Arbeits- und Gehaltskosten - etwa bei Höfen mit sehr vielen Angestellten - sollten dabei berücksichtigt werden. Weil sich die Verhandlungen über die GAP-Reform und den gemeinsamen EU-Haushalt 2021 bis 2027 so lange ziehen, gilt für die nächsten beiden Jahre ohnehin noch eine Übergangsphase, in der sich nichts ändert. Tatsächlich gilt die Reform also nur noch für die fünf Jahre von 2023 bis 2027.
Warum sind die Verhandlungen so schwierig?
Was den einen zu viel Umweltschutz ist, ist den anderen zu wenig. Es geht etwa darum, wie viel landwirtschaftliche Fläche für Natur- und Artenschutzbelange stillliegen sollte. Oder darum, wie hoch der Anteil an Direktzahlungen für die Landwirte noch sein soll. Welche Bedingungen müssen Landwirte für den Bezug von Direktzahlungen erfüllen? Sollten EU-Staaten verpflichtet werden, Öko-Regelungen anzubieten? Und sollten die Direktzahlungen tatsächlich ab einer bestimmten Höhe gekappt werden?
Welche Entscheidungen stehen in dieser Woche an?
Als erstes haben sich die Landwirtschaftsminister mit dem Thema befasst. Weil Deutschland derzeit den Vorsitz der EU-Staaten innehat, leitet die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Verhandlungen. "Wir sind zum Erfolg verpflichtet", sagte sie am Montag. Und kündigte an: "Es werden viele, viele Stunden Verhandlungen vor uns liegen bis tief in die Nacht und auch morgen noch." Als wahrscheinlich galt, dass es am Dienstag zu einer Einigung kommen könnte.
Im Europaparlament hat sich zuletzt eine Koalition aus drei Fraktionen - Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen - auf eine Linie geeinigt. Allerdings wurden noch etliche Änderungsanträge eingebracht, über die diese Woche noch abgestimmt wird. Am Freitagabend sollen dann die Ergebnisse verkündet werden.
Außerdem wollen sich die Landwirtschaftsminister am Montag auf eine Position bei der "Vom-Hof-auf-den-Teller"-Strategie einigen, die die Produktionskette von Lebensmitteln in den Blick nimmt. Die Umweltminister könnten am Freitag mit einer Einigung auf eine Biodiversitätsstrategie 2030 nachziehen.
Wie positioniert sich Österrich?
Österreich unterstützt die vom deutschen EU-Ratsvorsitz vorgeschlagenen höheren Umweltambitionen, will aber den "österreichischen Weg" beibehalten und sieht ihn als Vorbild für die Reform der europäischen Agrarpolitik an. "Es ist manchmal schon ein David gegen Goliath, kleine Agrarländer gegen großen Agrarnationen", sagte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) am Nachmittag des heutigen ersten Verhandlungstages in einem Hintergrundgespräch zu Journalisten. Sie rechnete mit harten weiteren Verhandlungen aber auch mit einem Verhandlungsergebnis in den kommenden Tagen