Herr Haslacher, 2020 wird für viele Unternehmen durch Corona zum Schreckensjahr. Warum nicht für Frequentis?
NORBERT HASLACHER: Frequentis beliefert ausschließlich Behörden mit sicherheitskritischen Aufgabenstellungen. Viele Aufträge sind ja vor zwei, drei Jahren begonnen worden, sind mit Budget ausgestattet und werden wegen Corona nicht einfach gestoppt. Deshalb trifft uns Corona weniger als viele andere.
Im April wollten Sie Kurzarbeit nicht ausschließen, ist das Thema jetzt vom Tisch?
Wir hatten im ersten Halbjahr ein Plus von 30 Prozent bei den Auftragseingängen und laufen weiter auf Volllast. Wir haben keine Kurzarbeit angemeldet und es sieht nicht so aus, als müssten wir eine anmelden.
Sie sagen, die Wachstumstreiber der kommenden Jahre werden drei Bereiche sein: die Mobilität der Menschen und von Gütern, das Sicherheitsbedürfnis der Menschen und das Thema Technologie. Warum gerade diese drei Themen?
Wir haben im Rahmen des Börsengangs 2019 die Megatrends und mögliche Auswirkungen auf unser Geschäftsmodell analysiert. Da sind diese drei Bereiche herausgekommen. Trends, die auch nach der Coronakrise Bestand haben werden.
Hat Corona das Mobilitätsbedürfnis nicht drastisch verändert?
Ich glaube, in den USA und Europa wird weniger gereist werden, besonders geschäftlich. Wir bei Frequentis hatten 12.000 Flugreisen pro Jahr. Da reichen auch weniger. Umgekehrt in Asien und Indien. Da werden in den nächsten zehn Jahren hundert Flughäfen gebaut, um dem Mobilitätsdrang der Bevölkerung gerecht zu werden.
Zweites Thema Sicherheit. Welche Möglichkeiten wird da die 5G-Technologie eröffnen?
Mit 5G stehen Bandbreiten zur Verfügung, die Einsatzleitern in den Zentralen viel mehr Informationen über die Lage vor Ort liefern können. Das können Videos von Drohnen sein, oder Bilder der Bodycams von Polizisten. Damit können die Einsatzleiter die Einsatzmittel optimieren und das wird die Sicherheit der Menschen deutlich erhöhen.
Drittens Technologie am Beispiel Remote Tower. Wie können Sie die Menschen überzeugen, dass der ferngesteuerte Tower genauso sicher ist wie der normal besetzte Tower?
Wir haben diese Technologie sieben Jahre lang entwickelt, das hat viele Vorschriften hervorgebracht, um die Sicherheit von Starts und Landungen zu ermöglichen. Aus meiner Sicht ist der Remote Tower sicherer als ein herkömmlicher Tower. Ein Beispiel: Mit Nachtsichtgeräten können Sie auf dem Vorfeld sehen, falls dort ein Fahrzeug steht, das Sie mit dem freien Auge nicht sehen würden. Und natürlich gibt es alle Systeme in redundanter Ausführung. Das alles erhöht die Sicherheit, und reduziert sie nicht.
Ihre Kunden sind fast ausschließlich Behörden. Sehen Sie die Gefahr, dass es wegen der Milliardenausgaben wegen Corona zu Auftragsrückgängen kommt, wenn die Regierungen wieder mehr auf die Finanzen schauen?
Das ist mit Sicherheit ein Risiko. Wir beobachten aber die Budgets der Kunden drei bis fünf Jahre in die Zukunft, und da sehen wir momentan keinen Rückgang bei Budgets oder Auftragsvergaben.
Sie machen sich also keine Sorgen um die Aufträge von Frequentis. Trotzdem haben Sie vor einigen Monaten gesagt, wir brauchen keine neuen Kunden, wir brauchen neue Produkte. Warum?
Der Markt im Bereich der sicherheitskritischen Einsatzleitzentralen hat eine Größe von jährlich 13 Milliarden Euro. Mit unserem Produktportfolio können wir zwei Milliarden davon abdecken. Deshalb brauchen wir keine neuen Märkte, sondern neue Produkte. Die kann ich mit eigener Forschung entwickeln, oder ich kann durch Zukäufe mein Produktportfolio erweitern.
Frequentis hat 31 Millionen Euro bei der Commerzialbank in Mattersburg angelegt. Warum legt man so viel Geld bei dieser Bank an?
Das Geschäftsmodell der Bank war ausgerichtet auf Grund und Boden. Das hat mit den testierten Jahresabschlüssen die Vertrauensbasis geschaffen, um über Jahrzehnte bis zu 31 Millionen Euro anzulegen. Jetzt sind die Gerichte am Zug.
Fürchten Sie um das Geld?
Wir haben es im ersten Halbjahr abgeschrieben, das tut natürlich weh, hat aber keine Auswirkungen auf unser Geschäft.
Wie würden Sie Frequentis’ Zukunft in einem Satz beschreiben?
Global, technologisch herausfordernd, spannend, in Kooperation mit unseren tollen Kunden weltweit.
Michael Csoklich