Das Deutsche Kartellamt warnt in einer aktuellen Erhebung zu Nutzerbewertungen vor Fake-Bewertungen und nimmt Suchmaschinen und Online-Portale in die Pflicht: Die Technologien zur Verhinderung von gefälschten Bewertungen seien zu wenig modern, das Engagement allgemein zu gering. Zudem wurde beobachtet, dass teilweise eher negative Bewertungen im Zuge der Filterung von Bewertungen benachteiligt werden. Leidtragende sind Verbraucher, die echte von unechten Bewertungen kaum unterscheiden können. Für ein mittelmäßiges Produkt finden sie viele sehr gute Bewertungen, die letztendlich als Kaufargument dienen.
Ein weiterer Kritikpunkt der Wettbewerbshüter ist, dass es zu wenig echte Nutzerbewertungen gibt. Das liegt daran, dass Anbieter im Internet wenig bis gar keine Anreize für ihre Kunden schaffen, überhaupt eine Bewertung zu verfassen. Das österreichische Pendant zum Deutschen Kartellamt, die Bundeswettbewerbsbehörde, sieht Fake-Bewertungen als globales Phänomen. Es wurde aber von der österreichischen Behörde keine Untersuchung durchgeführt, da sie keine Kompetenzen zur Überprüfung von verbraucherrechtlichen Angelegenheiten hat.
Aus gutem Grund vertrauen immer weniger Personen beim Online-Shopping den Nutzerbewertungen, deren Zuverlässigkeit als wichtiges Informations- und Wettbewerbsinstrument gefährdet ist. Michael Nikolajuk, Leiter Marketing & Kommunikation des Online-Preisvergleichsportal Geizhals, räumt ein: "Man kann agiler Sachen unternehmen, muss aber auch fair bleiben. Neue Technologien zur Prävention von Fake-Bewertungen sind oft nicht günstig und bringen vergleichsweise wenig." Das Deutsche Kartellamt nennt spezielle Dienstleister, bei denen positive Bewertungen gekauft werden können, und Bots, das sind eigens dafür kreierte Computerprogramme, als Erzeuger künstlicher Bewertungen.
Die Versandhandelsgruppe Unito, die Teil der international agierenden Otto Group ist, verwendet eine automatische Textanalyse, um schon im Vorfeld Bewertungen auf ihre Echtheit zu überprüfen: Bewertungen werden vom System vorgefiltert und auf gewisse Schlüsselwörter überprüft. "Im Einzel- und Ausnahmefall wird auch manuell eingegriffen", so Georg Glinz, Bereichsleiter der Unternehmenskommunikation. Wenn Bewertungen abdriften und nicht mehr der Artikel, sondern beispielsweise die Lieferung bewertet wird, schreitet man ein. Das dient der Sicherstellung, dass Nutzerbewertungen auch tatsächlich für andere Kunden eine Hilfe bei der Produktauswahl sind.
Keine Bewertung ohne Gegenleistung
Nutzerbewertungen sind für Verbraucher von großer Bedeutung. In einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom gaben 56 Prozent der Online-Shopper an, Kundenbewertungen als Entscheidungshilfe zu nutzen. Insbesondere Jüngere sehen nach, welche Erfahrungen andere Käufer gemacht haben. 66 Prozent der 16 bis 29 Jährigen lesen Online-Bewertungen vor dem Kauf. Portale sollen daher ihre Kunden motivieren, echte Bewertungen zu verfassen. Das Deutsche Kartellamt schlägt monetäre Anreize wie kleine Belohnungen, Gutscheine oder Gewinnspiele vor, wenn diese entsprechend gekennzeichnet werden. Automatisierte Mails, die an die Möglichkeit einer Artikelbewertung erinnern, seien zu wenig Ansporn für Käufer.
Simon Rothschedl