„Ich hatte 40.000 Dollar auf der Bank und niemand wusste, wer ich bin. Ich liebte es. Ich liebte es. Ich liebte es einfach! Ich konnte herumlaufen, die ganze Nacht in schmuddeligen Berliner Orten verbringen. Mit irgendwelchen Leuten nach Hause gehen. Dort sein, wo etwas geraucht wird.“ Vor einiger Zeit öffnete Alexander Karp, geboren als Sohn zweier Hippies in Philadelphia und promoviert in Philosophie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, dem Magazin „Forbes“ sein Herz. Um schnell hinzuzufügen: „Ich muss darüber hinwegkommen.“
Es liegt die Vermutung nahe, dass Karp, selbstbewusster Lockenschopf an der Spitze des US-Unternehmens Palantir, das geschafft hat. Spätestens mit dem heutigem Tag und dem angekündigten Börsengang des Software-Spezialisten in New York. Finanziell wird den quirligen Charismatiker dann wohl nicht mehr allzu viel an die Studienzeit erinnern, bewertet wurde das Unternehmen zuletzt mit mehr als 20 Milliarden US-Dollar. Dem mehr als 20-Fachen des aktuellen Jahresumsatzes.
Dass dieser Börsengang außergewöhnlich viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, hat mit dem Parkettjüngling selbst zu tun. Immer wieder wird Palantir als geheimnisvollstes Unternehmen des Silicon Valley ausgemacht. Palantir selbst forciert diese Optik. Beginnend beim Namen, eine Reminiszenz an Tolkiens sehende Kristallkugeln in „Herr der Ringe“, zieht sich das Mystische quer durchs Unternehmen. Die Zentrale nennt sich „The Shire“, das Auenland, die Software selbst betitelt der Big-Data-Spezialist in Anlehnung an Batmans Wirkungsstätte „Gotham“.
Erster und einziger Kunde in den ersten Geschäftsjahren war der – tendenziell verschwiegene – Auslandsgeheimdienst CIA, noch heute sorgen Regierungen, das Militär und Behörden für die Hälfte des Umsatzes. Dennoch zählen zu den großen Geschäftspartnern mittlerweile auch private Unternehmen wie Airbus, BMW oder Merck.
Vorhersagen vereinfachen
Was Palantirs Algorithmen so speziell macht? Nun, bereits Anfang der 2000er-Jahre verschrieb sich das Unternehmen – Mitgründer und Aushängeschild ist Investoren-Ikone Peter Thiel – der Analyse großer Datenmengen. Per intelligenter Software sollen verborgene Zusammenhänge sichtbar gemacht und Vorhersagen dadurch vereinfacht werden. Und dann gibt es noch die eine, ganz spezielle Erzählung: Immerhin sollen die Algorithmen Palantirs, so der Autor Mark Bowden, geholfen haben, den Terroristen Osama bin Laden aufzuspüren. Palantir schweigt dazu. Naturgemäß.
Betriebswirtschaftlich lässt der Glanz noch auf sich warten. Seit 17 Jahren schreibt der Konzern Verluste, in den letzten beiden Jahren je 580 Millionen US-Dollar. Zudem werden im Zuge des Börsengangs Fragen zu einer womöglich fehlenden Skalierbarkeit der personalintensiven Dienstleistung diskutiert. In Europa kursiert nicht zuletzt die Furcht, via Palantir könnten geheime Daten an die US-Regierung gelangen.
Diese Ansicht zu ändern, ist wohl eine der zentralen Aufgaben von Laura Rudas. Die einstige SPÖ-Bundesgeschäftsführerin dockte vor knapp fünf Jahren bei Palantir an. Zuständig ist die Ex-Politikerin für „Strategie und internationales Wachstum“.