Die Österreicher genießen im Vergleich mit anderen Ländern einen hohen Wohlstand - allerdings führt die durch die Corona-Seuche ausgelöste Wirtschaftskrise zu einem Rückschlag für die nachhaltige Entwicklung von Wohlergehen und Wohlstand, warnt die Arbeiterkammer in ihrem "Wohlstandsbericht 2020". Dabei misst die AK das Wohlergehen der Menschen nicht am Bruttoinlandsprodukt, sondern anhand von Faktoren wie Lebensqualität, Verteilungsgerechtigkeit und intakte Umwelt.
Als positiv bewertet die AK die sehr hohe Arbeitsproduktivität und hohe real verfügbare Einkommen in Österreich, hohe Lebenszufriedenheit und physische Sicherheit, geringe Armutsgefährdung, hohe Forschungsausgaben und Erwerbsquoten, einen gut ausgebauten öffentlichen Verkehr, entwickelte Mitbestimmung, vergleichsweise niedrige Feinstaubbelastung und ökonomische Stabilität. Insgesamt werden aber nur acht der 30 Indikatoren im Beobachtungszeitraum (2016 bis 2021) positiv bewertet.
Vermögen ungleich verteilt
Punkteabzüge gab es vor allem aufgrund der anhaltend hohen Vermögenskonzentration, einer nach Ansicht der AK-Experten großen Lücke zwischen Frauen- und Männereinkommen und der unveränderten Ungleichheit der Einkommensverteilung. "Im internationalen Vergleich ist die relativ egalitär, aber dadurch, dass von der Krise vor allem wirtschaftlich schwächere Gruppen betroffen sind, wird die Spreizung in der Einkommensverteilung deutlich aufgehen", sagte AK-Ökonom Markus Marterbauer am Dienstag bei der Präsentation des Berichts.
Die Vermögenskonzentration sei in Österreich eines der wichtigsten Probleme, meinte Marterbauer, "nicht nur aus ökonomischen Gesichtspunkten, sondern vor allem unter sozialen, gesellschaftlichen und demokratiepolitischen. Vermögenskonzentration bedeutet eine Gefährdung der Demokratie."
"Klatschen reicht nicht"
Besonders trist sieht es bei den Zielen Vollbeschäftigung und gute Arbeit aus, weil die Coronakrise zu einem historischen Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hat. Die AK befürchtet, dass sich ein Teil dieser Arbeitslosigkeit verfestigen wird, wenn nicht mit Konjunktur- und Beschäftigungspaketen gegengesteuert wird. Man dürfe das Ziel der Vollbeschäftigung "auch in der Krise nicht aus den Augen lassen, auch wenn die Vollbeschäftigung aktuell sehr weit entfernt scheint", sagte Silvia Hruska-Frank, stellvertretende Leiterin der Abteilung Sozialpolitik in der AK. Wichtig sei auch die Anerkennung, es reiche nicht, "in der Krise zu klatschen für diejenigen, die die Leistungsträgerinnen sind, sondern es muss sich auch in der Bezahlung niederschlagen".
Unter anderem empfiehlt die Arbeiterkammer eine Qualifizierungsoffensive und Arbeitszeitverkürzung, öffentliche Investitionen in den Ausbau des Schienenverkehrs, Wärmedämmung von Gebäuden und höhere Subventionen für den Ausbau von erneuerbarer Energie.
Niedrige Kreditzinsen
Die Staatsschulden würden jetzt zwar massiv steigen, man sollte deswegen aber in Österreich oder Europa nicht zu früh eine Konsolidierungspolitik einschlagen, sagte Marterbauer. "Im Gegenteil, jetzt ist die Zeit, Geld in die Hand zu nehmen um zu investieren." Für eine ganze Reihe von Problemen - Arbeitslosigkeit, fehlende Arbeitskräfte in der Pflege, Umwelt - empfiehlt die AK höhere Staatsausgaben, "das ist alles drinnen, das ist nur eine Frage des Geldes", meint Marterbauer. Verschulden könne sich der Staat derzeit sehr billig.
Finanziert werden soll das unter anderem durch höhere Steuern. Um den Wohlstand zu sichern sei es notwendig, "stärker ganz oben anzusetzen und progressive Abgaben auf Vermögen, Erbschaften, Spitzeneinkommen und Dividenden zu setzen, die einen wesentlichen Beitrag für einen Ausgleich der Lasten leisten sollten".
Investitionen in den Umweltschutz
Der Zeitpunkt, um die Staatsschulden wieder abzubauen, wäre dann gegeben, "wenn die Zahl der Arbeitslosen wieder auf dem Niveau von 2019 ist". 2019, vor der Coronakrise, habe es rund 300.000 registrierte Arbeitslose gegeben.
In den Umweltschutz, etwa im Verkehrsbereich, sollte die öffentlich Hand aber auch danach Geld investieren, sagte die Leiterin der AK-Abteilung Umwelt und Verkehr, Sylvia Leodolter. "Wir brauchen unbedingt mehr Mittel und mehr Tempo für den Schieneninfrastruktur-Ausbau, trotz der coronabedingten Umsatzeinbrüche im gesamten öffentlichen Verkehr."