SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Betriebsratschefs von heimischen Industrieunternehmen wie ATB, MAN Steyr und Mayr-Melnhof haben der Bundesregierung Untätigkeit angesichts des massiven Stellenabbaus vorgeworfen. Die Regierung unternehme nichts gegen das Wegbrechen ganzer Flaggschiffe der heimischen Industrie und verweigere das Gespräch mit Betroffenen, hieß es am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien.
Rendi-Wagner fordert, dass staatliche Förderungen für Unternehmen an den Erhalt der Arbeitsplätze gekoppelt werden sollen. Wenn ein Unternehmen einen Standort in Österreich schließe, solle es die erhaltenen Förderungen zurückzahlen müssen. Man müsse alles tun, um Arbeitsplatzabbau zu verhindern, denn davon seien neben den Beschäftigten und ihren Familien ganze Regionen betroffen. "Es geht hier um Flaggschiffe der österreichischen Industrie, die drohen wegzubrechen, MAN, ATB, es sind ganze Regionen, die hier drohen zu verarmen und zu vereinsamen."
Es gebe Betriebe, die tatsächlich durch die schwierige Coronasituation wirtschaftlich in den letzten Monaten ins Schleudern geraten seien. Es gebe aber auch Unternehmen, die die Coronakrise nur als Vorwand nähmen für Stellenabbau und Verlagerung von Arbeitsplätzen und Know-how in Billiglohnländer mit dem Ziel der Gewinnmaximierung, kritisierte Rendi-Wagner. "Sie nützen diese Situation jetzt aus, die Corona ihnen als Deckmantel bietet." Zuvor hatte die Oppositionspolitikerin die Betriebsratschefs von ATB, MAN Steyr, Mayr-Melnhof und Miba zum Gespräch in den SPÖ-Parlamentsklub geladen.
Keine Antwort? Ministerium widerpricht
Der Betriebsratschef der steirischen ATB in Spielberg, Michael Leitner schilderte, dass er seit acht Wochen erfolglos auf einen Termin bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) warte. Das Bundeskanzleramt habe ihm nicht einmal geantwortet. Bei einer Telefonkonferenz mit der Wirtschaftsministerin habe diese zuerst gesagt, dass sie nur wenig Zeit habe. Er habe dann seine Anliegen vorgebracht. Bei der ATB sollen 360 Menschen wegen Standortschließung ihren Job verlieren. Das Wirtschaftsministerium hält in einer Stellungnahme dagegen. "Die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums und Bundeskanzleramtes waren mehrmals mit Michael Leitner in Kontakt", wird betont. Außerdem habe man Leitner "im Rahmen eines Gespräches ... einen Termin im Wirtschaftsministerium angeboten. Leider hat Herr Leitner den Termin abgesagt. Daher kam es auch zu keinem persönlichen Gespräch zwischen der Wirtschaftsministerin und Herrn Leitner."
Laut Leitner hätte der Staat durch die Finanzprokuratur als größter Gläubiger im Sanierungsverfahren die Abwanderung verhindern können, wenn er das Angebot eines deutschen Investors akzeptiert hätte. Aber aufgrund der Entscheidung der Finanzprokuratur sei dieser Weg nicht möglich gewesen.
"Die Betroffenheit der Menschen ist katastrophal"
Auch der Betriebsratsvorsitzende von MAN Steyr, Erich Schwarz, sagte, dass er aus der Bundesregierung bisher keine Unterstützung bekommen habe. Der VW-Konzern will den Standort bis zum Jahr 2023 ganz schließen, davon wären 2300 Arbeitsplätze direkt und viele weitere in der Region betroffen. "Die Betroffenheit der Menschen ist katastrophal". Die Bundesregierung solle aktiv werden und mit dem Eigentümer Gespräche führen, damit dieser von der Standortschließung absehe - auch angesichts der hohen Förderungen, die für das Werk geflossen seien. Bisher habe es nur Kontakt mit dem oberösterreichischen Wirtschaftslandesrat gegeben, der eine Stiftung angekündigt habe.
Der Betriebsratsvorsitzende von Mayr-Melnhof Karton in Hirschwang kritisierte erbittert die vom Konzern angekündigte Schließung des Betriebs mit Jahresende. Diese sei für ihn völlig unverständlich, denn das Werk erziele laufend Rekorde und sei 2018 das Werk des Jahres innerhalb des Konzerns gewesen. 150 Arbeitsplätze gehen dadurch in der ländlichen Region verloren. Der Betriebsrat habe den Leuten selber die Hiobsbotschaft überbringen müssen, da die Geschäftsleitung dies nicht zusammengebracht habe. Gewinnmaximierung sei schön und gut, aber "die Konzerne haben auch eine soziale Verantwortung, die fordern wir hier ein."
Auf die schwierige Lage der Leiharbeiter verwies die Betriebsratschefin von Miba Sinter in Vorchdorf, Elfriede Schober. Diese würden als erste ihren Arbeitsplatz verlieren. Dank der Gewerkschaft Pro-Ge sei es gelungen, dass in die Kurzarbeitsregelungen auch Leiharbeiter aufgenommen werden können. Sie forderte eine gesetzliche Höchstgrenze für überlassene Beschäftigte von 10 Prozent der Leiharbeiter. Diese sollten nach 18 Monaten Beschäftigung in die Stammbelegschaft übernommen werden. "Überlassene Arbeitskräfte sind Menschen und kein Material", daher sollte sie auch in den Bilanzen als Personalkosten und nicht als Sachkosten aufscheinen.