Der MAN-Konzern prüft, ob und wie er die bestehenden und bis 2030 geltenden Standort- und Beschäftigungssicherungsverträge für Steyr vorzeitig kündigen kann. Darüber sei man vom Vorstand informiert worden, berichtete Erich Schwarz, Arbeiter-Betriebsratschef bei MAN Trucks & Bus in Steyr, der APA. In Steyr droht im Rahmen eines Mega-Sparprogramms die Schließung des Werks mit 2300 Beschäftigten.
Dass bei dem deutschen Lastwagenbauer ein großflächiger Personalabbau ins Haus steht, war bereits länger bekannt. Am Freitag wurde aber klar, dass dieser noch massiver ausfallen dürfte als gedacht - war zuletzt von 6000 abzubauenden Stellen die Rede gewesen, sollen nun bis zu 9500 der rund 39.000 Jobs konzernweit wegfallen - und, dass der Standort Steyr zur Gänze wackelt. Er stehe "zur Disposition", drückte es das Unternehmen in einer Mitteilung aus. Mit den radikalen Maßnahmen wolle man das Ergebnis der VW-Tochter um rund 1,8 Milliarden Euro zu verbessern.
Belegschaftsvertreter aus Oberösterreich waren am Freitag in München und bekamen dort bestätigt, dass Steyr bis Ende 2023 geschlossen werde, berichtete Schwarz. "Die Misswirtschaft des alten Vorstandes ist nicht wegzudiskutieren", so der Betriebsrat, Corona sei da höchstens noch oben drauf gekommen. Das gleiche Management könne MAN auch nicht wieder zurück in die Erfolgsspur bringen, ist er überzeugt. "Relevant" sei für ihn aber, was die Geschäftsführung in Steyr sage. Er warte daher nun auf Information durch die Chefetage am Standort - letztere hatte zuletzt bei Medienanfragen an die Zentrale des Konzerns verwiesen.
Voraussichtlich am Montag werde er noch mit dem Gesamt-Betriebsrat konferieren, berichtete Schwarz, dabei soll auch geklärt werden, wie und wann man die Beschäftigten informiert. Diese Woche dürften Betriebsversammlungen abgehalten werden, die Information soll an den Standorten in Österreich und Deutschland wenn möglich gleichzeitig erfolgen. Noch unklar ist das Format der Veranstaltungen, um diese Corona-gerecht zu gestalten.
Ursprünglich war man von einem zwar massiven, aber geringeren als jetzt angekündigten Jobabbau ausgegangen, bei dem auch Steyr nicht infrage gestellt worden wäre. Anfangs habe es geheißen, es werde vor allem im indirekten - also im administrativen - Bereich eingespart und weniger in der Produktion, so Schwarz. Das habe sich nun offenbar geändert. Dass das Management nur eine Worst-Case-Variante ankündigt, um dann nach Verhandlungen vielleicht einen großen Jobabbau, bei dem das Werk in Steyr aber erhalten bleibt, positiv verkaufen zu können, glaubt der Belegschaftsvertreter nicht.
Die Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp haben bereits angekündigt, mit allen Mitteln um den Standort kämpfen zu wollen. Man fordere auch die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen. Die oö. Landesregierung stellte bereits die Möglichkeit von standortpolitischen Unterstützungsmaßnahmen, etwa einer Stiftung, in den Raum, um mit Qualifizierungsmaßnahmen den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Der Steyrer Bürgermeister Gerald Hackl (SPÖ) kann die "Hiobsbotschaft" noch nicht wirklich glauben. So seien in Steyr zuletzt noch 60 Millionen Euro in eine neue Lackiererei - die größte Lackieranlage Europas für Lkw-Kunststoffanbauteile - investiert worden.
Die Entwicklung und Produktion von Nutzfahrzeugen in Steyr hat eine mehr als 100-jährige Tradition. Das Werk in Steyr wurde 1914 fertiggestellt, 1919 begann die Lkw-Produktion, 1999 übernahmen die Oberösterreicher die gesamte Lastwagen-Fertigung der leichten und mittleren Baureihe von MAN. Das sind Fahrzeuge mit zwei oder drei Achsen, auch mit Allradantrieb ausgestattet, mit 150 bis 340 PS und einem Gesamtgewicht zwischen 7,5 bis 26 Tonnen. Darüber hinaus werden in Steyr auch Sonderfahrzeuge sowie Komponenten für den Produktionsverbund des Konzerns gebaut, beispielsweise Fahrerhäuser. Auch Forschung und Entwicklung werden an diesem Standort betrieben. Zuletzt gab es zudem eine Kleinserie von E-Trucks.