Die Pandemie hat das Einkaufen und den Handel in Österreich massiv verändert. Und es stehen noch große Umwälzungen bevor – so prophezeien es die Experten auf dem alljährlich vom Handelsverband abgehaltenen E-Commerce-Day, der diesmal ganz im Zeichen der Coronakrise stand. Aufhorchen lässt Harald Gutschi, Sprecher der Unito-Gruppe (Otto, Universal, Quelle), wenn er sagt: „In zehn Jahren wird die Einzelhandelsfläche um 50 Prozent geschrumpft sein – und das ist noch eine optimistische Schätzung.“ Corona und der Lockdown sorgten für einen „digitalen Urknall“ im heimischen Handel – mit Gewinnern, aber auch mit Verlierern. Allein 2020 haben 9,5 Prozent der Einzelhändler in Österreich ihre Betriebe geschlossen, liefert Rainer Will, Chef des Handelsverbandes, eine alarmierende Zahl. Sie konnten einerseits mit dem Onlineboom nicht mithalten und wurden andererseits Opfer von Unsicherheit und Kaufzurückhaltung. Im stationären Handel gingen die Umsätze und Frequenzen um 20 bzw. 22 Prozent nach unten.
Druckfrisch belegt die jüngste E-Commerce-Studie der KMU Forschung Austria die bekannten starken Zuwächse in den Onlineshops. Acht Milliarden Euro (plus sieben Prozent) gaben österreichische Konsumenten im Analysezeitraum 2020 (Mai 2019 bis April 2020) bei Interneteinkäufen aus, das sind elf Prozent der Konsumausgaben. Mode, Elektrogeräte und Bücher sind die führenden Warengruppen. Studienautor Wolfgang Ziniel spricht von einer „starken Dynamik“ im Onlinehandel, getrieben von einem Boom bei Bestellungen via Smartphone (2,4 Millionen Handy-Shopper, plus 21 Prozent) und einer Beschleunigung beim sogenannten Voice-Commerce: 13 Prozent der Haushalte setzen bereits auf Alexa und Co., doch erst 0,5 Prozent der Benützer tätigen so Einkäufe.
Positiv ist der Umstand, dass der Anteil der ins Ausland abgeflossenen Umsätze von 57 auf 54 Prozent gesunken ist. Der Lokalpatriotismus trägt also Früchte. Doch gibt dem Handelsverband zu denken, dass laut Befragung lediglich 10 Prozent der Händler in Österreich einen Onlineshop nutzen wollen. „Das ist sehr verwunderlich“, meint Will, denn klar sei, darin sind sich alle Experten einig, dass es eine Trendumkehr zum stationären Handel nicht geben werde, im Gegenteil. „Der Lockdown war ein Weckruf, die Krise beschleunigt den Strukturwandel und im Herbst und Winter wird die Schere noch weiter aufgehen.“ In den drei Monaten der teils geschlossenen Geschäfte habe sich in Österreich eine Entwicklung vollzogen, die sonst zehn Jahre dauern würde. „Die österreichischen Händler müssen stärker und intensiver im Internet auftreten“, betont Peter Umundum, Logistik-Vorstand der Post. Immerhin konnte der Marktplatz der Post, Shöpping.at, den „Regionalitätsschub“ nützen und die Zahl der Händler und Produzenten heuer auf bald 1000 deutlich erhöhen. Unito-Chef Gutschi verweist auf zwei Trends: „Die Tendenz geht in Richtung Marktplatz. Und große Onlineunternehmen werden immer stärker.“
Ein Knochenjob ...
Werden kleine und mittlere Handelsbetriebe aufgerieben? Sonja Lauterbach, die in der Krise die Plattform EPU Österreich initiierte, appelliert dringend, Kleinstunternehmen bei der Digitalisierung vor allem mit Know-how zu unterstützen. Selbst für größere Unternehmen sei Onlinemarketing ein Knochenjob und der Weg zum Erfolg steinig, da hätten Betriebe mit wenigen Mitarbeitern wenig entgegenzusetzen, betont die Unternehmerin. Dennoch hätten sich im Lockdown viele kreativ und flexibel gezeigt.