Bei der Industriellenvereinigung (IV) und der ÖVP-Teilorganisation Wirtschaftsbund stoßen die Rufe der Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl nach einer Arbeitszeitverkürzung auf Widerstand. "Die Vorschläge für eine Arbeitszeitverkürzung und damit eine Verteuerung des Faktors Arbeit werden auch durch gebetsmühlenartige Wiederholung nicht besser", so der IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

Vielmehr sei dies eine Kampfansage an Arbeitsplätze und würde sämtliche Anstrengungen, Beschäftigung wiederaufzubauen, konterkarieren. Erst vergangene Woche hätten sich die Leiter der renommierten Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS klar gegen eine gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit ausgesprochen. "Das sollte dringend ernst genommen werden", so Neumayer.

"Überhaupt nicht nachvollziehbar und ein Schritt in die völlig falsche Richtung" sei jegliche Diskussion darüber, die Maßnahmen zur Arbeitszeitflexibilisierung zurückzunehmen bzw. zu verschlechtern. "Die Modernisierung der Arbeitszeit hat sich für Unternehmen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewährt. Daran zu rütteln würde einen völligen Rückschritt bedeuten", so Neumayer. Bei der Diskussion über die Veränderungen in der neuen Arbeitswelt – etwa im Bereich Homeoffice – brauche es weiterhin Flexibilität, Freiwilligkeit und passgenaue Lösungen auf betrieblicher Ebene.

Ablehnung kommt auch vom Wirtschaftsbund: "Der Forderung von AK-Präsidentin Anderl, die 2018 eingeführte Arbeitszeitflexibilisierung wieder abzuschaffen und die Arbeitszeiten weiter zu kürzen, kann ich nichts abgewinnen. Das Modell hat sich bewährt. Gerade in der Krise brauchen Unternehmer und ihre Mitarbeiter flexible Lösungen", so Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger. Durch die Arbeitszeitflexibilisierung wurde der 12-Stunden-Tag möglich.

Flexibilität statt Arbeitszeitverkürzung

Wie eine Studie von EcoAustria im Auftrag des Wirtschaftsministeriums schon 2019 gezeigt habe, brächten flexible Arbeitszeiten niedrigere Preise und eine erhöhte Nachfrage nach heimischen Gütern sowie höhere Einkommen für Mitarbeiter, so Egger: Denn der Arbeitseinsatz könne flexibel an die Auftragslage angepasst werden.

Laut Eurostat-Daten vom April arbeiten die Österreicher immer länger: Mit 37,6 Jahren geschätzter Lebensarbeitszeit für heute 15-Jährige liegt Österreich über dem Schnitt der 27 EU-Länder von 35,9 Jahren und auch über dem Schnitt der 19 Euro-Länder von 36,1 Jahren. Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2019. Im Jahr 2018 lag die geschätzte Lebensarbeitszeit der Österreicherinnen und Österreicher bei 37,5 Jahren, im Jahr 2012 bei 36,5 Jahren. Deutlich länger als in Österreich arbeiten die Menschen in der Schweiz mit 42,6 Jahren und in Schweden mit 42 Jahren (beides für 2019), betont die Agenda Austria in einer Aussendung. In Italien sind es laut Eurostat nur 32 Jahre.