Seit 1. April hat der neue CEO des Kartonherstellers Mayr-Melnhof das Steuerruder in der Hand - ein Start inmitten der Coronakrise. Peter Oswald, der vom südafrikanisch-britischen Papierriesen Mondi kommt, sieht den Konzern in halbwegs ruhigen Gewässern - trotz "scharfer Umsatzeinbußen bei Verpackungen für Luxusgüter wie Kosmetika und Cognac", räumte der Manager in einer Telefonkonferenz ein.
Die Mayr-Melnhof Karton AG bekommt in diesem Segment vor allem das weggebrochene Duty-free-Geschäft an den internationalen Airports zu spüren. "Wir haben hier zwar seit Juni eine Erholung von einer wirklich schlechten Lage, aber wir sind noch weit entfernt von Vor-Covid-19-Zeiten - die Flughäfen sind nicht mehr so voll wie im Februar", sagte Oswald am Donnerstag. Hier sieht er auch nicht so schnell eine Verbesserung. "Wirklich normalisieren wird sich die Situation, wenn ein Impfstoff da ist."
Die Coronapandemie habe aber nicht alle Unternehmensbereiche dermaßen beeinträchtigt wie den Luxusbereich und Verpackungen für Pflege- und Schönheitsprodukte. Bei den Verpackungen für Nahrungsmittel und Medikamente laufe das Geschäft weitaus besser.
Produktion anpassen
Auf die neuen Gegebenheiten will sich der Konzern auch in der Produktion einstellen: "Ein Werk, das Cognac-Verpackungen herstellt, sollte zum Beispiel Verpackungen für Zerealien herstellen", so der Konzernchef. Es müssten auch Maschinen an andere Standorte gebracht werden. Die Änderungen, die hier vorgenommen würden, verursachten zunächst einmal auch Kosten.
Bereits im ersten Halbjahr 2020 erhöhten sich bei Mayr-Melnhof Karton die Abschreibungen gegenüber der Vorjahresperiode von knapp 68 Millionen auf gut 89 Millionen Euro - darin enthalten waren den Konzernangaben zufolge "marktbedingte Wertminderungen in den langfristigen Vermögenswerten" im Volumen von 20,9 Millionen Euro. "Das war eine Einmal-Abschreibung", betonte Oswald. "Wir werden aber in den kommenden zwei Jahren weitere nicht wiederkehrende Maßnahmen ergreifen müssen", stellte er weitere Abschreibungen in Aussicht. Dabei werde es sich um "zahlreiche kleine Anpassungen" handeln, größere werde man kommunizieren, sobald die entsprechenden Entscheidungen dafür getroffen seien. Der Konzern will auch mit Übernahmen im Faltschachtel- und Kartonbereich wachsen - Hauptstoßrichtung sei hier Europa.
Werke durchgängig in Betrieb
Der von vielen Regierungen verfügte Shutdown zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie ist für den börsennotierten Kartonhersteller insgesamt relativ glimpflich verlaufen."Wir konnten alle unsere Werke fast durchgängig durchlaufen lassen", berichtete Oswald. "Wegen unserer Verpackungen für Lebensmittel und Pharmaprodukte galten wir als systemrelevant und wurden nicht zum Stillstand gezwungen." Das Einteilen neuer Arbeitsschichten unter Einhaltung aller vorgeschriebenen gesundheitlichen Vorsichtsmaßnahmen sei freilich "mit vielen Herausforderungen" verbunden gewesen.
Nur kleinere Standorte - hauptsächlich außerhalb Europas - hätten ein, zwei Wochen schließen müssen - so etwa in Kolumbien und in Russland; in China, wo die Pandemie schon Wochen früher ihren Ausgang nahm, hatte auch Mayr-Melnhof die Betriebsferien ab Chinesisch Neujahr, das heuer auf den 25. Jänner fiel, verlängert.
In Jordanien sei es zu einer Werksschließung gekommen - dort habe es aber auch bereits vor Corona "strukturelle Probleme" gegeben. Dasselbe gilt für einen Standort in Polen, der auf Verpackungen für Produkte aus dem gehobenen Segment spezialisiert ist. "Schwächere 'Performer' hat die Coronakrise sehr wohl getroffen."
Weniger Gewinn
Insgesamt habe sich der Auftragseingang inzwischen wieder normalisiert - bei Kartonverpackungen sei dieser allerdings nach wie vor zögerlich. "Wir sollten hier eine sehr flache Entwicklung einplanen." Wachstum verspricht sich Mayr-Melnhof aber letztlich vom allgemeinen Trend zu mehr Nachhaltigkeit - Plastik soll verstärkt durch Kartonverpackungen ersetzt werden.
"Wir sind von Corona bei weitem nicht so schwer beeinträchtigt wie andere Unternehmen", fasste der Konzernchef zusammen und verwies auf eine "solide und stabile Performance" im gesamten ersten Halbjahr. In Österreich hat Mayr-Melnhof den Angaben zufolge auch keine Mitarbeiter in Kurzarbeit. Jobsicherheit gebe es zu Coronazeiten freilich keine. "Personalabbau in Zeiten wie diesen auszuschließen, ist nicht möglich."
Zwischen Jänner und Juni brach der Nettogewinn des Kartonkonzerns gegenüber der Vorjahresperiode um acht Prozent auf knapp 85 Millionen Euro ein, das Ergebnis je Aktie verringerte sich von 4,59 auf 4,23 Euro. Beim Ausblick für das Gesamtjahr 2020 geht das Management von einem niedrigeren Gewinn als 2019 aus. "Das Jahresergebnis wird weiter unter Vorjahr erwartet, da der verschärfte Konjunkturabschwung und notwendige Anpassungsmaßnahmen ergebnisbelastende Effekte mit sich bringen können", so der CEO. Die Dividende wackelt aus jetziger Sicht dennoch nicht: "Wir erwarten Kontinuität - mehr kann man jetzt noch nicht sagen", meinte Oswald.
Im ersten Halbjahr waren die konsolidierten Verkaufserlöse mit 1,27 Mrd. Euro (minus 0,7 Prozent) relativ stabil. Das operative Ergebnis ging um 1,2 Prozent auf 122,5 Millionen Euro zurück - darin enthalten sind laut Konzernangaben Aufwendungen in Höhe von 8,6 Millionen Euro für die Auflösungsvereinbarung mit dem ehemaligen CEO Wilhelm Hörmanseder, der per Ende März seinen Chefsessel an Oswald übergeben hat.