Keiner in Opatija verstehe Österreich, klagt Martina Riedl. Die Direktorin des Vier-Stern-Hotels „Miramar“, eine bei Gästen beliebte Herberge des Salzburgers Hoteliers Wilfried Holleis, wurde trotz sommerlicher Temperaturen an der Adria wie so viele von der Reisewarnung aus Wien eiskalt erwischt: „In Österreich wurde die Angst geschürt, bei uns kam es zu vielen Stornierungen.“
"Viele Gäste fühlen sich sicherer als in Österreich"
Der Schaden für die kroatische Wirtschaft sei enorm, obwohl Istrien und der Kvarner von der Pandemie „so gut wie gar nicht betroffen sind. Viele Gäste fühlen sich hier viel sicherer als in Österreich.“ Dass sich die Urlauber in Kroatien wohlfühlen, legen auch die Zahlen des kroatischen Tourismusverbandes nahe: Im Juli erzielte Kroatien 18,6 Millionen Nächtigungen, 60 Prozent des Vorjahresmonats, im August waren es bereits 70 Prozent – 13,6 Millionen Übernachtungen. Mit der höchsten Reisewarnung Österreich scheint dieser Wachstumskurs fürs Erste gestoppt.
"Es gibt schließlich kein Reiseverbot"
Gestern hielten sich nur noch 14.000 österreichische Touristen im Adriastaat auf, der Großteil reiste – teils überstürzt – ab. Auch in Opatija sind es „nicht mehr sehr viele“, sagt Riedl. „Weil man ja jetzt in Österreicher als Verbrecher gilt, wenn man nach Kroatien fährt“, ärgert sich die aus Kärnten stammende Hotelière. Manche Österreicher reisen trotz höchster Warnstufe an: „Es gibt schließlich kein Reiseverbot.“
Aus den Valamar-Hotels, zum Teil im Eigentum von Österreichern, vermeldet Vize-Aufsichtsratschef Franz Lanschützer, 60 Prozent der Österreicher seien voriges Wochenende abgereist. „Es gibt für die nächsten ein, zwei Wochen eine Stornierungswelle“, gleichzeitig würden Buchungen für September auch von Österreichern eintreffen. „Die chaotische Vorgangsweise seitens der Regierung hat uns geärgert“, sagt Lanschützer. „Wir rechnen mit einem Millionenschaden, den Herr Kurz verursacht hat.“
"Reisewarnung wirkt sich auf Buchungslage aus"
Mit ihren Hotels in Zadar und auf der Insel Krk meldete der Südtiroler Falkensteiner-Gruppe mit Sitz in Wien bisher eine Auslastung von 50 Prozent. „Eine Reisewarnung, besonders der Stufe 6, wirkt sich natürlich immer auf die Buchungslage aus“, erklärt Falkensteiner-Manager Christoph Crepaz. Wie andere kroatische Hotels lasse man nichts unversucht, Österreicher ins Land zu locken: Um Urlaubern eine Quarantäne zu ersparen, können jetzt österreichische Gäste im Hotel kostenlose PCR-Tests durchführen lassen – und sich so die freie Fahrt in die Heimat sichern. Wer sich lieber zuhause testen lassen will, erhält einen Rabatt.
Auch im Hotel Miramar will man Hotelgästen die Fahrt ins nahe Rijeka ersparen und PCR-Tests im Hotel anbieten, ebenso die Valamar-Gruppe. Die Empfehlung an die lokalen Tourismusbehörden, Tests für Gäste zu organisieren, kommt von der Tourismuszentrale aus Zagreb. Denn Touristen tragen rund 18 Prozent zur Wirtschaftsleistung Kroatiens bei. Die Reisewarnung aus Wien sorgt sogar für Revanchismusgelüste – so drohte der Direktor des kroatischen Instituts für öffentliche Gesundheit Krunoslav Capak Österreich mit Gegenmaßnahmen, wenn heimische Skigebiete die Saison eröffnen: „Dann werden wir die Situation haben, Maßnahmen vorzuschreiben.“
Hotelière Riedl nimmt auch die kroatische Politik nicht aus der Verantwortung: „Die Discos zu öffnen war ein Fehler, solche Lokale gehören zugesperrt.“ Das ist passiert, Zagreb schloss diverse Superspreader-Brutstätten. „Man darf aber nicht die Grenzen schließen, sondern muss an das Verhalten der Urlauber appellieren“, sagt Riedl. „Falsch verhalten kann ich mich überall – auch in Österreich.“
Lesen Sie hier ein Interview mit dem Chef von Kroatien Tourismus Kristjan Stanicic:
„Sind enttäuscht von Österreich“
Der kroatische Tourismuschef will Rücknahme der Warnung.
Kam für Sie die Reisewarnung Österreichs überraschend?
KRISTJAN STANICIC: Leider verzeichnen wir in den letzten Tagen einen etwas höhere Zahl der Infektionen in der Gespanschaft Split-Dalmatien und in der Stadt Zagreb. Zahlreiche touristische Regionen in Kroatien sind weiterhin sicher, was auch die durch die 650.000 Touristen, die sich derzeit in Kroatien befinden, bestätigt wird.
Sind Sie enttäuscht von dieser Entscheidung der österreichischen Politik?
Wir haben volles Verständnis dafür, dass sich jedes Land verantwortungsvoll gegenüber der eigenen Bevölkerung verhalten muss. Wir sind jedoch enttäuscht, weil Kroatiens Bitte, eine partielle Reisewarnung nur für bestimmte Regionen und nicht für das ganze Land zu verordnen, abgelehnt wurde. Solch eine Vorgehensweise, welche Österreich bei Ländern, wie Italien, Deutschland und Spanien angewendet hatte, ist für Kroatien ausgeblieben.
Muss sich die kroatische Politik nicht vorwerfen, Infektionsherde in Nachtclubs erst ermöglicht zu haben und mit umfassenden Tests zu spät gestartet zu sein?
Es gibt natürlich bestimmte Infektionsfälle in Kroatien. Aber wenn wir diese Zahl an Infektionsfällen zu den sechs Millionen Touristen, die bis jetzt Kroatien besucht haben, in Vergleich setzen, wird eindeutig klar, dass die kroatischen Institutionen alles Notwendige unternommen haben, um der eigenen Bevölkerung und den Gästen Sicherheit zu gewährleisten.
Ist damit die Sommersaison mit den Österreichern gelaufen oder hoffen Sie auf eine Kehrtwende in den nächsten Wochen?
Wir erwarten, dass wir aus Österreich auch weiter ein gewisses Touristenaufkommen in den restlichen Augustwochen und im September verzeichnen. Leider aber nicht in dem Maße, in dem es möglich gewesen wäre. Wir hoffen, dass sich die epidemiologische Lage in Kroatien weiter bessern wird und dass wir schnell wieder auf die Liste der sicheren Länder eingestuft werden.