Rexel ist eine internationale Gruppe. Hat das in der Krise geholfen?

Robert Pfarrwaller: Durch den Austausch mit den Ländern konnten wir sehr früh mit den Planungen beginnen – und zwar schon im Jänner. Da hat uns die internationale Ausrichtung schon sehr geholfen. Und auch der intensive Austausch mit unseren 500 Lieferanten. Was uns zugute gekommen ist: Unsere Waren gelten als systemkritische Güter. Wenn es einen Kurzschluss gibt, braucht man einfach ein Ersatzteil. Deshalb konnten wir auch mitten in der Krise liefern. Die Teile waren noch am selben Tag beim Kunden. Bei Orten unter Quarantäne hat die Polizei die Pakete übernommen und dann im Ort weiterverteilt.

Was hat sich im Unternehmen verändert?

Der Umstieg auf Homeoffice und Co. ist relativ über Nacht gegangen. Wir hatten aber einen großen Vorteil. Denn seit vier Jahren gibt es im Unternehmen ein sehr gut ausgearbeitetes Krisenhandbuch, in dem einige dieser Elemente schon festgelegt wurden. Darauf konnten wir uns beziehen. Am kritischsten war unser Zentrallager in Weißkirchen, das Rückgrat der gesamten Logistik. 43.000 Artikel lagern dort. Das mussten wir absichern. Denn das Geschäft lief ja weiter. Wir machen 50 Prozent unseres Umsatzes digital. Deshalb haben wir das Zentrallager hermetisch abgeschirmt. Bis heute gibt es keine externen Besucher. Wir setzen auf minimalstes Risiko und maximale Sicherheitsmaßnahmen.

Gerade so große Lager sind aber schon ein Risiko, das hat der Fall Post gezeigt. Dort arbeiten viele Menschen, wie verhindert man da einen Ausbruch?

Ein gewisses Risiko bleibt. Die Menschen gehen nach Hause und treffen dort andere Leute. Das Leben geht ja weiter. Wir haben massive Aufklärungsarbeit geleistet. Das beginnt bei der Sprache, wir haben Mitarbeiter aus 23 Nationen. Daher haben wir alle Maßnahmen in die jeweiligen Muttersprachen übersetzt. Auch die Maskenpflicht wurde bei uns nie ausgesetzt. Es gibt kaum Kontakte zwischen den einzelnen Teams. Der Schlüssel ist wirklich Abstand, Hygiene und Kleingruppen, die miteinander möglichst wenig zu tun haben. Wir haben in der Früh Wareneingang und am Abend Warenausgang. Diese beiden Gruppen sollen sich gar nicht begegnen. Wenn also eine Linie ausfällt, können wir Leute umschichten. Auch in der Urlaubszeit appellieren wir an die Mitarbeiter, überlegt euch wirklich dreimal, wohin ihr fährt. Kommt ihr leicht zurück oder müsst ihr danach in Quarantäne. Vielleicht kann der Heimaturlaub heuer doch ausbleiben.

Gibt es regelmäßige Tests im Zentrallager?

Wir hatten zwei Verdachtsfälle. Die Betroffenen wurden behördlich getestet. Allen anderen, die mit den Personen in Kontakt waren, haben wir sofort Tests angeboten und sie auch bezahlt. Wir setzen dabei aber sehr stark auf Freiwilligkeit. Flächendeckend jede Woche testen wir die Mitarbeiter nicht.

Sie haben ein Krisenhandbuch erwähnt. Seit wann gibt es das, und aus welchem Grund wurde es erstellt?

Wir haben uns vor Jahren schon damit beschäftigt, welche Art Krisen wir erleben könnten. Das beginnt bei einem Brand im Zentrallager, und geht bis hin zu Diebstahl. Und es gab in den vergangenen Jahren schon zwei Pandemien. Vogel- und Schweinegrippe haben freilich in Europa nicht zu einer Situation wie jetzt bei Corona geführt. Aber das Thema war schon da, und damals haben wir uns gefragt, was wir bei einem solchen Ausbruch machen müssen. Als das Coronavirus aktuell war, hatten wir daher schon ein paar Eckpfeiler definiert. Und diese haben wir sehr schnell um die Erfahrungen der Kollegen aus China ergänzt. Als wir dann Mitte Februar gesehen haben, wie schnell das Virus in Italien um sich greift, haben wir sofort unser Krisenteam aktiviert.

Was war die Aufgabe dieses Teams?

Es musste festgelegt werden, was passiert, wenn eine Niederlassung behördlich geschlossen wird. Wohin leiten wir die Kunden um, und sind wir technisch darauf eingestellt? Was ist, wenn das Zentrallager zur Hälfte stillgelegt wird? Eine Folge dieser Überlegungen: Wir haben begonnen die regionalen Lager schon im Februar etwas höher zu bestücken, auch um das Zentrallager zu entlasten.

Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung mit den steigenden Zahlen ein. Sind Sie jetzt besser vorbereitet, für das was kommt?

Ein zweiter maximaler Shutdown wird schwierig. Aber wir haben viel gelernt in den vergangenen Monaten. Bestimmte Prozesse sind jetzt etabliert, man weiß, was man zu tun hat. Es bleibt aber aufregend. Ich glaube auch, dass es regionale Maßnahmen geben wird. Das Virus ist ja nicht besiegt. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir in den nächsten Jahren in einer extrem volatilen Situation leben werden. So etwas wie eine fixe Jahresplanung gibt es nicht mehr. Das kann man auch positiv sehen: Es wird einen Flexibilitätsschub geben.