Im Firmenbuch hinterlegte Jahresabschlüsse der Commerzialbank Mattersburg der Jahre 2008 bis 2018 und ein Bilanz- und Ertragsvergleich mit dem Bankensektor insgesamt lässt nach einem Gutachten im Auftrag einer Anwaltskanzlei große Auffälligkeiten erkennen. Für die Kanzlei Hausmaninger Kletter Munition für Klagen gegen die Republik. Das Gutachten stammt von Oliver Lintner als Sachverständigem.
Rechtsanwalt Markus Spani kann nicht nachvollziehen, wie dies den Behörden habe entgehen können. Es hätte keines anonymen Hinweises gebraucht, um eine Prüfung zu rechtfertigen. Ein erfahrender Prüfer hätte klar erkennen müssen, dass das Geschäftskonzept der Commerzialbank Mattersburg schon aufgrund der Bilanzdaten nicht nachvollziehbar und der Verdacht der Bilanzmanipulation eindeutig gegeben sei, schreibt die Anwaltskanzlei, die im Bilanzskandal Mattersburg-Bank Geschädigte vertreten will.
Bankensektor geschrumpft, Bank gewachsen
Auf 25 Seiten werden in der Schrift Auffälligkeiten aufgelistet. Etwa die Entwicklung der Bilanz: Die Bilanzsumme des österreichischen Bankensektors sei von 2008 bis 2019 von 1.069 Mrd. Euro auf 884 Mrd. Euro oder um 17,2 Prozent geschrumpft, der Bankensektor insgesamt sei in acht der letzten elf Jahre geschrumpft. Indes sei die Bilanzsumme der Commerzialbank Mattersburg von 413 Millionen auf 795 Mio. Euro im Jahr 2018 gewachsen, ein Zuwachs um 92,62 Prozent.
Wie mehrfach berichtet dürfte weit mehr als die Hälfte der Bilanz auf "Fake"-Geschäft zurückzuführen sein.
Es erhärte sich der Verdacht, dass staatliche Organe wie Oesterreichische Nationalbank (OeNB) und Finanzmarktaufsicht (FMA) bei der Commerzialbank ihre Aufsichtspflichten massiv verletzt haben, findet die Kanzlei, für die eine Amtshaftungsklage gegen die Republik nahe liegt. Für wirtschaftliche Analysen ist seit 2008 die OeNB zuständig. Rechtliche Schritte prüfe man auch gegen das Land Burgenland. Experten sähen derzeit aber keine Basis dafür.
Zum Kunden-Einlagen-Verhältnis: Bei Österreichischen Banken stünden pro Euro, der als Kredit an Kunden vergeben werde, zwischen 0,85 und 1,07 Euro Kundeneinlagen gegenüber. In der Commerzialbank Mattersburg seien es mit der 2018er-Bilanz 2,05 Kundeneinlagen pro Euro Kreditsumme gewesen.
Guthaben bei anderen Banken (Kredite an andere Banken): 13,9 Prozent ihrer Bilanzsumme an andere Banken hätten die heimischen Banken 2018 als Kredit bzw. Einlage vergeben. Bei der Commerzialbank Mattersburg habe dieser Satz 47,84 Prozent betragen - dreimal mehr als im Branchenschnitt.
Im Ertragsvergleich kam Lintner auf eine mehr als doppelt so hohe Zinsspanne wie jene von vergleichbaren Banken im Land. Gleiches gelte für den Provisionsertrag bezogen auf die Bilanzsumme.
Der Zinsertrag auf Kredite an Kunden bzw. Einlagen bei anderen Banken sei historisch mit 4,58 Prozent signifikant über dem Branchenschnitt von 2,87 Prozent gelegen. Für einen Zinsertrag von jährlich 4,58 Prozent wären am Bondmarkt Investitionen in riskante Unternehmensanleihen bzw. Ramsch-Papiere nötig gewesen, schreibt die Kanzlei. Von österreichischen Banken seien auf Gelder bzw. Kredite, die sie von anderen Banken erhielten, im Schnitt 1,98 Prozent p.a. bezahlt worden. Unter der Annahme, dass auch die Veranlagungen der Commerzialbank Mattersburg bei anderen Banken durchschnittlich 1,98 Prozent p.a. erzielt hätten, hätten die Kreditzinsen an Kunden 7,31 Prozent ausmachen müssen, um die ausgewiesenen Zinserträge zu erzielen, errechnete der Gutachter.