Das ist ein sehr herber Schlag für die Obersteiermark: Die Corona-Folgen sind für die Kindberger und Kapfenberger Voestalpine-Betriebe so heftig, dass sie auch mit einer Verlängerung der Kurzarbeit nicht mehr aufgefangen werden können. Das bestätigte Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner am Mittwoch in einer Online-Pressekonferenz. In Kindberg in der Nahtlosrohr-Fertigung werden von 1100 Stellen 250 gestrichen. In Kapfenberg werden 250 bis 300 Mitarbeiter ihre Arbeit verlieren. Dort ist vor allem die Böhler Aerospace betroffen, die 800 Mitarbeiter beschäftigt. Aber auch in der Fertigung von Präzisionsteilen für die Öl- und Gasindustrie werden Jobs wegfallen. Die Verhandlungen für einen Sozialplan laufen noch. Schon im September, spätestens im Oktober sollen die Kündigungen erfolgen.
Möglicherweise wird die vor Jahrzehnten gegründete Stahlstiftung für Weiterqualifizierungen und Umschulungen genutzt. Mit wie viel Geld die Voestalpine die Folgen für die Betroffenen abfedert, ist noch Gegenstand der Verhandlungen mit den Betriebsräten.
„Aber das ist es jetzt“
Die Entscheidung kommt nicht aus heiterem Himmel. Dass beide Sparten extrem unter der Krise der Luftfahrtindustrie und der eingebrochenen Öl- und Gasproduktion leiden, hatte Eibensteiner schon in einem Interview mit der Kleinen Zeitung im Juni bestätigt. Damals hatte er bereits angekündigt, Personalabbau als Konsequenz der Pandemie ins Auge fassen zu müssen. Ursprünglich dürften sogar noch mehr Jobs gewackelt haben. „Aber das ist es jetzt“, so Eibensteiner, „ob noch etwas in die ein oder andere Richtung geht, kann ich nicht sagen.“ Klar sei, dass eine „nachhaltige Anpassung notwendig ist“, begründete er den Schritt.
Bei der Böhler Aerospace erwartet die Voestalpine frühestens Ende kommenden Jahres wieder deutlich bessere Produktionszahlen. Es könnte aber auch bis Mitte 2022 dauern, um auf ein Auftragsniveau wie vor der Coronakrise zu kommen. „Das wird ein sehr langer Weg sein. Kurzarbeit und alle anderen Maßnahmen, die wir getroffen haben, sind dafür nicht das richtige Mittel“, erklärte Eibensteiner. Ähnlich sieht es in der Rohr- und Teilefertigung für die Ölindustrie aus. Rund 2400 der 9100 steirischen Voestalpine-Mitarbeiter sind noch in Kurzarbeit, die aber sukzessive zurückgefahren wird.
Der Voestalpine-Konzern mit weltweit knapp 48.900 Mitarbeitern – übrigens sieben Prozent weniger als noch vor einem Jahr – ist massiv von der Corona-Pandemie betroffen. Auf 70 Millionen Euro belief sich der Verlust nach Steuern im ersten Quartal. Bereits vor einem Jahr, das schon nicht mehr glänzend lief, waren es 90 Millionen Gewinn gewesen. Der Umsatz brach um 28 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro ein. Für das Gesamtjahr könnte der Konzern gerade mit knappem Gewinn oder kleinem Verlust abschließen. Neben der Coronakrise sind es auch die von US-Präsident Donald Trump erhöhten Schutzzölle, die der Voestalpine laut Eibensteiner zu schaffen machen. Das Eisen-Pellets-Werk in Texas produziert derzeit hauptsächlich für China. In China, dem Ausgangspunkt der Pandemie, scheinen die Folgen derzeit überwunden. Das Geschäft sei bereits wieder auf dem Vorkrisenniveau.
„Betroffene Mitarbeiter nach Kräften unterstützen“
Die Voestalpine ist in der Steiermark an neun Standorte mit 13 Produktionen vertreten. Noch Ende 2018 wurden dort mehr als 9700 Mitarbeiter beschäftigt, mittlerweile sind es 9100, davon sind derzeit 2400 in Kurzarbeit. Der Konzern hat in den letzten zehn Jahren zwei Milliarden Euro in steirische Standorte investiert, trotz der gegenwärtigen Turbulenzen wird das neue Edelstahlwerk in Kapfenberg weitergebaut, es soll Ende 2021 fertig sein. Festgehalten wird auch an der Lehrlingsausbildung. „Kürzungen kommen in diesem Bereich für mich nicht infrage“, so Vorstandschef Herbert Eibensteiner Ende Juni zur Kleinen Zeitung. Konzernweit werden heuer 300 neue Lehrlinge, davon 160 in der Steiermark, aufgenommen.
Insgesamt sieht Eibensteiner mit Blick auf die Geschäftsfelder eine „zweigeteilte Steiermark“. Denn die Geschäfte in der Bahninfrastruktur, von Weichen über Schienen bis zur Signaltechnik, würden gut laufen.
Die Nachricht vom Stellenabbau sorgt für große Betroffenheit. Peter Bacun, Betriebsrat in Kapfenberg, sagte in der „ZIB“, dass er aus den Medien von der Dimension des Jobabbaus erfahren habe und bezeichnete dieses Vorgehen des Konzerns als „seltsam“. Die Landesregierung verspricht, die betroffenen Mitarbeiter „nach Kräften zu unterstützen“, wie Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (VP) und Soziallandesrätin Doris Kampus (SP) betonen. Das Land hatte schon im Mai eine Corona-Stiftung mit 40 Millionen eingerichtet. Der aus dem Bezirk stammende FP-Nationalratsabgeordnete Hannes Amesbauer fordert Bundes- und Landesregierung zu „sofortigen Gesprächen mit dem Voestalpine-Vorstand“ auf, um den Abbau noch zu verhindern oder zumindest abzumildern.
Auch im Bezirk Bruck-Mürzzuschlag ist die Lage am Arbeitsmarkt angespannt. Beim AMS sind in Bruck derzeit 2369 Menschen arbeitslos gemeldet, in Mürzzuschlag 1163. Damit liegt man jeweils um mehr als 50 Prozent über dem Vorjahreswert.