Obwohl die Wirtschaft unter der Coronakrise stark leidet, sind sowohl die Firmen- als auch die Privatpleiten in Österreich im ersten Halbjahr stark zurückgegangen. Das sei aber gar nicht gut, warnen die Gläubigerschützer des KSV1870: Durch die Corona-Hilfsmaßnahmen der Regierung würden nämlich eigentlich notwendige Insolvenzanträge verschoben, worunter letztlich die ganze Wirtschaft leide.
Den aktuellen KSV-Zahlen zufolge gab es in der ersten Jahreshälfte um fast 25 Prozent weniger Firmenpleiten als im ersten Halbjahr 2019, bei den Privatinsolvenzen gab es sogar einen Rückgang um 33 Prozent.
Sanierung verzögert
Das ist nur auf den ersten Blick ein Grund zur Freude, sagen die Gläubigerschützer, "diese Zahlen geben die tatsächliche Situation der Unternehmen nicht wieder", denn durch die Corona-Maßnahmen werde die Sanierung kranker Unternehmen verzögert. "Langfristig leiden darunter nicht nur die Unternehmen und Gläubiger, sondern die gesamte heimische Wirtschaft."
"Es ist fraglich, welches politische Ziel verfolgt wird, die Wirtschaft auf dem Papier als gesund darzustellen", sagte der Chef der KSV1870 Holding, Ricardo-Jose Vybiral. "Das löst alles andere als die vorhandenen gravierenden Probleme." Der KSV fordert, die Frist für Insolvenzanträge ab sofort wieder von 120 auf 60 Tage zu reduzieren. Die Finanz und Gesundheitskassen sollten mit den massiven Stundungen und den Verzicht auf Insolvenzanträge aufhören und die Unternehmer sollten seitens der Regierung "nicht in dem Glauben gelassen werden, dass staatliche Mittel ausreichen, um die Krise finanziell zu überwinden".
"Irgendwann wird die Insolvenzwelle Österreich definitiv erwischen", warnt der KSV. "Je länger in finanzielle Schieflage geratene Unternehmen künstlich am Leben erhalten werden, desto größer wird der gesamte volkswirtschaftliche Schaden sein."
Knapp 2000 Pleiten
Laut KSV-Auswertung sind im ersten Halbjahr insgesamt 1.928 Unternehmen insolvent geworden, davon wurden 1.097 Insolvenzen tatsächlich eröffnet, was sogar ein Minus von 28 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 bedeutet. Parallel dazu sind die Verbindlichkeiten mit 1,605 Milliarden Euro um 86 Prozent gestiegen. Das liege daran, dass größere Insolvenzen eher selbst angemeldet werden, erklären die KSV-Experten.
Die Finanz und Gesundheitskassen, die die Hauptantragssteller bei eher kleineren Verbindlichkeiten sind, würden jedoch seit Ausbruch der Corona-Krise und bis auf Weiteres keine Insolvenzanträge mehr stellen. Dadurch gibt es im ersten Halbjahr viel weniger kleinere Insolvenzfälle, als noch im Vorjahr. Durch die höhere Zahl der selbstangemeldeten und somit vorbereiteten größeren Insolvenzen waren auch mehr Dienstnehmer (10.300) betroffen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (8.100).
Weniger Privatpleiten
Analog zu den Unternehmensinsolvenzen gab es auch bei den Privatinsolvenzen im ersten Halbjahr einen deutlichen Rückgang: 3.351 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren bedeuten ein sattes Minus von 33 Prozent. Die Hauptgründe dafür laut KSV: Neben den im Krisenmodus agierenden Gerichten habe es insbesondere während des "Shutdowns" an persönlicher Beratung gefehlt, die bei der Schuldenregulierung von Verbrauchern eine bedeutende Rolle spiele.
Auf das Gesamtjahr hochgerechnet dürfte es heuer um rund 6.000 Privatinsolvenzeröffnungen weniger geben. "Da Privatschulden nicht von heute auf morgen entstehen und es sehr unwahrscheinlich ist, dass tatsächlich so viele Personen weniger in finanzielle Schieflage gekommen sind, rechne ich damit, dass die Anträge im zweiten Halbjahr nachgeholt werden", sagt KSV-Insolvenzexperte Karl-Heinz Götze laut Mitteilung.