Die Aktionäre AUA-Mutter haben am Donnerstag einer 20-prozentigen Kapitalbeteiligung der Bundesrepublik mit einer Mehrheit von 98,04 Prozent zugestimmt. Das damit verbundene Hilfspaket über 9 Milliarden Euro kann nun umgesetzt werden. Auch der AUA-Rettung in Österreich steht nun nichts mehr im Wege.
Die Austrian Airlines (AUA) werden mit 600 Millionen Euro gerettet, wurde am 8. Juni verkündet, doch die Zitterpartie bei der Mutter in Deutschland hatte das Paket auch vorübergehend wieder wackeln lassen. Je 150 Mio. Euro schießen die Republik Österreich und die Eigentümerin Lufthansa zu. Darüber hinaus gibt es einen 300 Mio. Euro schweren staatlich garantierten Bankkredit. Ein Mindestflugpreis kommt. Auch ein Sparpaket wird umgesetzt.
"Wir haben kein Geld mehr"
Im Ringen um das staatliche Rettungspaket erhöhte die Lufthansa-Spitze heute den Druck auf die Aktionäre noch einmal. "Wir haben kein Geld mehr", sagte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Konzerns. Ohne das Unterstützungspaket von 9 Milliarden Euro hätte die Airline laut Kley "in den nächsten Tagen" die Insolvenz anmelden müssen. Nach der Annahme des Rettungsplans sagte Kley: "Wir schaffen das!"
Bei der ausschließlich im Internet übertragenen außerordentlichen Hauptversammlung verzichtete Großaktionär Heinz Hermann Thiele darauf, das Rettungspaket zu blockieren. Wegen der schwachen Beteiligung der übrigen Stimmrechtsinhaber mit einer Präsenz von 39,3 Prozent hätte er mit seinem Aktienanteil von mindestens 15,5 Prozent Gelegenheit zu einer Blockade gehabt. Im Vorfeld hatte sich der Milliardär sehr kritisch über den seiner Meinung nach zu starken Staatseinfluss geäußert.
EU-Kommission stimmte endgültig zu
Am Vormittag hatte die EU-Kommission dem Rettungsplan bereits endgültig zugestimmt. Als Bedingung setzten die Wettbewerbshüter durch, dass Lufthansa in München und Frankfurt jeweils 24 Start- und Landerechte an Wettbewerber abgeben muss. Die zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte dazu: "Dadurch erhalten konkurrierende Luftverkehrsunternehmen die Möglichkeit, in diese Märkte einzutreten, wodurch faire Preise und eine größere Auswahl für die europäischen Verbraucher gewährleistet werden." Konkurrent Ryanair kündigte dennoch eine Klage gegen die Beihilfe an.
Der Lufthansa-Vorstand verteidigte vor der Abstimmung das mit der deutschen Bundesregierung verhandelte Paket aus Beteiligung, stillen Einlagen und Kredit als alternativlos. Mehr sei nicht durchsetzbar gewesen. Das Konzept bedeute für Lufthansa in den kommenden Jahren erhebliche finanzielle und strukturelle Belastungen, sagte Aufsichtsratschef Kley. "Für den Staat ist es ein durchaus lukratives Geschäft." Dennoch gebe die Vereinbarung dem Unternehmen Raum und Zeit, um die Krise zu überwinden. Davon profitierten letztlich auch die Aktionäre. Lufthansa-Chef Carsten Spohr zeigte sich zuversichtlich, die Einlagen und Kredite fristgerecht bedienen zu können. Man sei auch nicht verpflichtet, Kredit und Einlagen in voller Höhe abzurufen.
Lufthansa hatte für den Fall eines Scheiterns angekündigt, schnell ein so genanntes Schutzschirmverfahren zu beantragen. Diese mildeste Form einer Insolvenz nach deutschem Recht wird bereits beim Ferienflieger Condor angewendet und gibt dem Management weitgehend freie Hand, bestehende Verträge auch mit dem eigenen Personal zu kündigen. Das ist nun nicht mehr nötig. Den rechnerischen Überhang in der Coronakrise hatte der Konzern mit weltweit 138.000 Beschäftigten auf 22.000 Vollzeitstellen beziffert, davon die Hälfte in Deutschland.
Mit den Gewerkschaften ist das Unternehmen in weit fortgeschrittenen Verhandlungen zu umfangreichen Kostensenkungen. Als erste hat ausgerechnet die streitbare Kabinengewerkschaft Ufo einem Krisenpaket zugestimmt, das Lufthansa auch ohne Kündigungen bis Ende 2023 mehr als eine halbe Milliarde Euro einsparen hilft. Neben verkürzten Arbeitszeiten, dem Verzicht auf bereits vereinbarte Lohnsteigerungen und Betriebsrentenzahlungen gibt es eine Vielzahl freiwilliger Maßnahmen, um Lohnkosten zu reduzieren. Am Morgen demonstrierten hunderte Ufo-Flugbegleiter vor der Lufthansa-Zentrale für die Annahme der staatlichen Rettung.
Absturz wegen Corona-Pandemie
Nach den drei bisher erfolgreichsten Geschäftsjahren war Lufthansa im März wegen der Corona-Pandemie geschäftlich abgestürzt. Die Barreserven der größten deutschen Airline verringerten sich zuletzt monatlich um 800 Mio. Euro, sodass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Unternehmen bereits einen Verlust von 2,1 Mrd. Euro ein. Nach eigenen Angaben hat Lufthansa bereits eine Milliarde Euro an Kunden für abgesagte Flüge zurückgezahlt. Eine weitere Milliarde stehe noch aus.
Lufthansa-Chef Spohr erwartet, dass sich die Nachfrage im Luftverkehr nur langsam erholt und über Jahre unter dem Vor-Corona-Niveau bleibt. Folge ist eine deutliche Schrumpfung der Flotte. Beim Gewinn traut sich der Konzern nach Worten des Personalvorstands Michael Niggemann allerdings bereits für 2022 zu, das Vorkrisenniveau zu erreichen.