Während die Wienerinnen und Wiener in diesen Tagen auf das Eintreffen ihrer Gastro-Gutscheine warten, sehnt sich die städtische Hotellerie weiter nach Besuch. Wie deutlich der Einbruch des Tourismus in der Stadt ist, zeigen jüngst veröffentlichte Zahlen. Ein Nächtigungsminus im abgelaufenen Mai von 97,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr kommt einem Totalausfall gleich. Und das in einer Branche, die jährlich für vier Milliarden Euro Wertschöpfung sorgt und von der 90.000 Arbeitsplätze abhängen.
Das bloße Öffnen der Betriebe vor gut drei Wochen brachte wenig überraschend keine Trendwende. Internationale Gäste, die mehr als 80 Prozent der Wiener Nächtigungen ausmachen, bleiben aufgrund der Reisebestimmungen aus. Was bleibt, sind die Österreich-Urlauber*innen aus Österreich. 40 Hotels in Wien wollen diese jetzt mit einem besonderen Angebot anlocken.
Unter dem Namen “Erlebe deine Hauptstadt” bieten die Betriebe in vier Preiskategorien von 199 bis 529 Euro jeweils zwei Übernachtungen für zwei Personen inklusive einer “Imperial Tour” durch das Schloss Schönbrunn an. Zur preiswertesten Kategorie zählt unter anderem das Mercure Grand Hotel Biedermeier oder die Vier-Sterne-Häuser der NH-Gruppe. In die teuerste Kategorie fallen Luxushäuser wie das Park Hyatt oder das Ritz Carlton. Frühstück und Abendessen beinhalten die Pakete bewusst nicht, damit die Wiener Gastronomie gefördert wird.
Für das außergewöhnliche Wien-Erlebnis sollen darüber hinaus sogenannte “Lifetime Experiences” sorgen, die nicht käuflich zu erwerben sind. Sie stehen all jenen, die ein Paket buchen, kostenlos zur Verfügung – sind aber limitiert. Beispielsweise lädt Dompfarrer Toni Faber zu einem Rundgang in der Dachrinne des Stephansdoms inklusive Besichtigung des Dachbodens. Weniger schwindelfreien Wien-Urlauber*innen wird im Schwarzen Kameel eine private Weinverkostung im geheimen Keller des Traditionslokals angeboten. Zweirad-Freunde können die Stadt einen Tag lang kostenlos auf einer Vespa erkunden.
Die Aktion läuft von 1. bis 31. August, die Buchung der Pakete ist ab 15. Juli unter der Website www.erlebe-deine-hauptstadt.wien möglich. Zumindest 20.000 Österreicher*innen will man damit in die Wiener Hotels locken. Unterstützung bekommt die Aktion nicht nur von Wiener Unternehmen wie Schlumberger und der Marmeladen-Manufaktur Staud’s, die das Urlaubspaket mit einem Welcome Drink bzw. einem Giveaway kulinarisch abrunden sollen, sondern auch von der Stadt Wien. Eine derzeit laufende digitale Werbekampagne mit dem Titel “Weltreise in Wien” soll für mehr Aufkommen in den Beherbergungsbetrieben sorgen.
“Wir müssen aber realistisch bleiben. Das Aufkommen aus dem Inland kann Wiens Betten nicht auslasten oder jene Ausfälle kompensieren, die auch Branchen wie die Gastronomie oder den Handel treffen”, erklärt SPÖ-Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke auf Anfrage von Wien.memo. Bis sich der Tourismus zu erholen beginnt, werde es seiner Meinung nach noch Monate dauern. Internationale Schätzungen gehen sogar davon aus, dass erst 2024 wieder das Niveau erreicht werden kann, das 2019 erreicht wurde. “Wir laufen einen Marathon und keinen Sprint”, sagt Hanke.
Um der Branche nachhaltig unter die Arme zu greifen, fordert er daher eine Verlängerung der aktuell bis September laufenden Kurzarbeitsregelung bis ins erste Quartal 2021. “Ansonsten werden zahlreiche Betriebe aus der Tourismus- und Freizeitwirtschaft die Zeit bis dahin nicht überleben”, so Hanke. Er fordert von der Bundesregierung zudem Klarheit für die Planbarkeit von Messen und Kongressen: “Mit der aktuell gültigen Verordnung ist zwar das Teilnehmer*innenlimit für Fach- und Publikumsmessen gefallen. Tagungen und Kongresse werden darin aber dem Bereich Veranstaltungen gleichgesetzt. Das heißt, bei Tagungen bleibt die Teilnehmer*innenanzahl weiterhin beschränkt”, kritisiert der Wirtschaftsstadtrat. Eine Kongressmetropole wie Wien, in der jede zehnte Nächtigung durch eine Tagung zustande kommt, treffe das besonders hart: “Pro Monat gehen hier 100 Millionen Euro an Wertschöpfung und Steuereinnahmen verloren.”
Andreas Terler