Durch die Coronakrise sind kurzfristig mehr Fachkräfte auf dem Jobmarkt verfügbar. Ist damit quasi die Jagd nach guten Mitarbeitern eröffnet?
Ziko Jovic: Die Jagd nach Talenten ist dauerhaft ein Thema, in einer Krise, wie wir sie jetzt erleben, kommt sie aber natürlich noch stärker zum Tragen. Vor allem die sogenannten High Performer, also die Mitarbeiter mit herausragenden Leistungen, sind in Krisenzeiten sehr empfänglich für Jobangebote. Weshalb es auch so wichtig ist, das Thema Talentsuche strategisch auszurichten.
Unternehmen nutzen also zum Teil die Chance, Mitbewerbern gute Mitarbeiter abzuwerben?
Jovic: Definitiv. Unternehmen, die gut aufgestellt sind, nutzen Krisenzeiten, um sich Fachkräfte zu sichern. Denn vor allem in Bereichen, wo Mitarbeiter mit besonderen Fähigkeiten gesucht werden, ist das Potenzial auf dem Arbeitsmarkt aktuell deutlich höher. Die Karten werden neu gemischt. Unternehmen sollten aber immer pro-aktiv in der Personalgewinnung sein, nicht nur in Krisenzeiten.
Viele Unternehmen stellen derzeit aufgrund der Coronakrise keine neuen Mitarbeiter ein und bilden auch weniger aus. Könnte das in den kommenden Jahren das Problem im Fachkräfte-Bereich noch verschärfen?
Jovic: Der kurzfristige Erfolg von Einstellungsstopps ist es, dass sich die Personalkosten reduzieren. Aber man darf nicht vergessen, dass nach jedem Tal irgendwann auch wieder ein Hoch kommt. Und dann kommt das Fachkräfte-Thema. Stellen müssen unter Zeitdruck neu besetzt werden. Und die einzige mögliche kurzfristige Maßnahme ist es dann, mit Geldscheinen zu wedeln, wenn man Top-Arbeitskräfte braucht. Die Frage ist: Will ich Mitarbeiter, die nur aus monetären Gründen ins Unternehmen kommen? Sie sind erfahrungsgemäß auch die Ersten, die wieder weg sind, wenn ein anderer mehr bietet.
Was braucht es, damit Betriebe bei der Personalgewinnung erfolgreich sind?
Jovic: In vielen Firmen wickelt die Personalabteilung rein administrative Aufgaben ab. Recruiting-Prozesse spielen da oft keine Rolle. Oft wird die Personalgewinnung von der Marketingabteilung mitbetreut. Hier muss aber ein Umdenken stattfinden. Mitarbeitergewinnung darf kein Halbtagsjob mehr sein. Wenn man als Unternehmen erfolgreich Mitarbeiter anwerben will, muss man strategisch vorgehen, braucht man Jahrespläne. Das Motto muss lauten: Agieren statt reagieren. Recruiting muss als eigenständige Abteilung gesehen werden.
Wie punktet man bei Bewerbern?
Jovic: Unternehmen müssen lernen, Bewerber wie Kunden zu behandeln. Bei der Generation Y punktet man vor allem mit Geschwindigkeit. Vier Monate von der Stellenausschreibung bis zur Vertragsunterzeichnung ist zu lange. Die schnellen Firmen fressen bei der Mitarbeitergewinnung die langsamen.
Viele Unternehmen nutzen derzeit das Instrument der Kurzarbeit, um Mitarbeitern nicht kündigen zu müssen. Schadet Kurzarbeit dem Image in Hinblick auf die Fachkräftesuche?
Jovic: Initiativbewerbungen sind natürlich stark mit dem Image eines Unternehmens verknüpft. Und das Thema Kurzarbeit ist da im ersten Moment negativ behaftet. Entscheidend ist, wie ich mit dem Thema umgehe. Ich empfehle hier eine offene Kommunikation nach außen.
Zusammengefasst Ihre fünf Tipps für Betriebe, die Fachkräfte rekrutieren wollen?
Jovic: 1. Tue Gutes und rede darüber, gerade in Krisenzeiten, denn damit stärkst du deine Reputation als Arbeitgeber. 2. Wickle den Recruiting-Prozess rasch ab. 3. Agiere anders als andere auf dem Arbeitsmarkt, gehe neue Wege im Rahmen des Recruiting. 4. Stärke deine Online-Sichtbarkeit, denn wenn du im Netz nicht sichtbar bist, existierst du für viele Zielgruppen als Arbeitgeber nicht. 5. Schaffe Strukturen in der Personalgewinnung und ermögliche eine langfristige Personalplanung.
Astrid Jäger