Eines vorweg: Direkte Auswirkung wird der wegweisende Spruch des Bundesgerichtshof wohl "nur" für ähnliche Verfahren in Deutschland haben. Indirekt, so bewerten es Experten in ersten Einschätzungen, könnte die Entscheidung aber auch Verfahren gegen Volkswagen in anderen Ländern wie Österreich stark beeinflussen.
Der Auffassung des BGH würden jedenfalls "sämtliche deutsche Gerichte in dieser Sache folgen", ist sich die involvierte Anwaltskanzlei Goldenstein & Partner sicher. Und weiter: "Davon profitieren auch Betroffene aus Österreich".
Warum dem so sein soll?
Ab heute sei es laut den Juristen sinnvoll, am zuständigen Gericht in Braunschweig "gegen VW vorzugehen". Zuvor, so Kanzleiinhaber Claus Goldenstein, hätte "dieser Schritt keinen Sinn ergeben, weil die Braunschweiger Gerichte bis heute kein einziges Urteil gegen den Konzern in dieser Sache gefällt haben".
Österreicher hätten gegenüber deutschen Verbrauchern sogar "einen entscheidenden Vorteil", wie Goldenstein betont. "Die Verjährungsfrist, welche in Deutschland nicht abschließend geklärt ist, beträgt für sie bei sittenwidriger Täuschung ganze 30 Jahre – auch vor deutschen Gerichten. Das hat zur Folge, dass kein berechtigter Fall aufgrund von Verjährung erfolglos bleiben wird."
16 VW-Sammelklagen vom VKI
In Österreich selbst gibt es in diesem Zusammenhang übrigens noch kein rechtskräftiges Urteil. Wenngleich der Verein für Konsumenteninformation (VKI) dort mittlerweile 16 VW-Sammelklagen eingebracht hat. Rückendeckung verspürte der VKI diesbezüglich Anfang April durch einen Spruch des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof, wonach die VW-Fahrer in dem Land auf Schadenersatz klagen dürfen, in dem sie ihr Auto gekauft haben. Die Anträge des Generalanwalts sind für die obersten EU-Richter nicht verbindlich, jedoch folgt der EuGH häufig seiner Empfehlung.
VKI-Chefjurist Thomas Hirmke ist davon überzeugt, dass das deutsche Höchstgerichtsurteil auch den österreichischen Verfahren Rückenwind verleihen wird. "Der Bundesgerichtshof hält die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die illegalen Abschalteinrichtungen fest. Das ist dieselbe Anspruchsgrundlage wie in Österreich", erklärt Hirmke der Kleinen Zeitung. "Zweitens ist die Feststellung wichtig, dass Schadenersatz zusteht." Im Unterschied zu Deutschland wollen die österreichischen Kläger, die der VKI vertritt, aber nicht das Auto zurückgeben und dafür den Kaufpreis retour bekommen, sondern fordern einen pauschalen Schadenersatz, so Hirmke.