Wie machtlos fühlt man sich als Politikerin, wenn so eine Krise ausbricht? Wie lange dauert die Schrecksekunde und ab wann nimmt man sich wieder als Gestaltungskraft im aus der Bahn geworfenen Gesamtsystem wahr?
BARBARA EIBINGER-MIEDL: Anfangs kann man es gar nicht fassen, was da auf einen zukommt. Aber es war nicht lange Zeit zum Sinnieren oder Nachdenken. Es ist gleich vom ersten Tag an voll losgegangen, weil durch den Lockdown, der sehr schnell vollzogen wurde, bei uns die Drähte sofort heiß gelaufen sind. Viele Unternehmen waren einfach fassungslos, verzweifelt, auch wütend.
Diese Verzweiflung und Wut ist vielfach geblieben. Gerade bei Klein- und Mittelbetrieben, die sagen, die Aussicht auf Hilfe, die Ankündigung, dass etwas kommt, – das reicht nicht. Stattdessen brauche es dringend und umgehend Geld. Haben Sie Verständnis für diesen Unmut?
Ich kann es absolut verstehen, weil sehr früh von der Bundesregierung angekündigt wurde, dass es Hilfe geben wird.
Zu früh?
Nein, weil sonst gar keine Perspektive entstanden und die Menschen noch verzweifelter in ein Loch gefallen wären. Dass wir uns alle gewünscht hätten, dass die Umsetzung der Ankündigungen schneller und unbürokratischer kommt, ist eine andere Geschichte. Aber man darf auch nicht gering schätzen, was in dieser kurzen Zeit an Paketen aufgestellt wurde. Allein über die Wirtschaftskammer Steiermark waren es beim Härtefonds mehr als 37.000 Anträge mit einem Volumen von 24 Millionen Euro, die abgearbeitet wurden. Jetzt kommt aufgrund der verzögerten Umsetzung die Ungeduld, gepaart mit dem Hinfiebern, wann man wieder aufsperren darf. Branchen, für die ein Datum genannt wurde, haben wieder Mut gefasst.
Was ist mit jenen Branchen, die immer noch nicht wissen, wie es wann weitergeht?
Die melden sich natürlich weiterhin bei uns.
Ist die Massivität der Krise ein Fluch der Globalisierung?
Die Globalisierung hat die Ausbreitung natürlich beschleunigt. Aber ich sehe die Zukunft weiterhin im internationalen Handel. Die Steiermark und Österreich sind zu klein, um Wohlstand nur mit dem Inlandsmarkt zu schaffen. Jeder zweite Euro wird bei uns im Export verdient. Gerade in der Steiermark haben wir im technologischen Bereich Firmen, die Weltmarktführer sind. Was man aber gesehen hat, ist, dass man sich bei gewissen kritischen Bereichen – dazu zähle ich medizinische Produkte, den Pharmabereich – absichern muss. Im Inland allein ist das nicht zu schaffen, aber als Europa muss man sich unabhängig machen, weil man gesehen hat, wie verletzlich Lieferketten sind.
Gibt es Prognosen für das Ausmaß der Konjunktureintrübung in der Steiermark durch Corona?
Das Joanneum Research hat in einem optimistischen Szenario – ausgehend von einer Erholung ab September – einen Schaden von vier Milliarden Euro und ein Minus beim regionalen BIP von acht Prozent errechnet.
Und die pessimistische Variante?
Daran wollen wir nicht denken.
Wie wird sich die Wirtschaft in naher Zukunft entwickeln?
Ich glaube, die Folgewirkungen werden sich verlagern. Wir hatten in den ersten Wochen der Krise – mit wenigen Ausnahmen von Stilllegungen und Kurzarbeit – eine weiterlaufende Industrie. Auch, weil immer noch Aufträge abgearbeitet werden. Aber die Phase, in der nichts mehr Neues hereinkommt, steht bevor, in der die Industrie also Schwierigkeiten bekommen wird, vor allem auch ohne internationale Lieferketten. Parallel fahren jetzt aber viele andere Bereiche wie Handel, Gastronomie und Tourismus wieder hoch.
Was macht das Land zur Linderung der wirtschaftlichen Not?
Wir haben uns entschlossen, die Bundesmaßnahmen durch eigene Landesmaßnahmen zu ergänzen und zu verstärken.
Mit wie viel Geld?
Das Gesamtpaket der Landesregierung beträgt 53 Millionen Euro, allein für die Wirtschaftsmaßnahmen stehen insgesamt rund 40 Millionen Euro zu Verfügung – so viel wie das gesamte jährliche Wirtschaftsbudget des Landes in „Normalzeiten“.
Reicht das?
Nein. Deshalb heißt es auch Soforthilfspaket. Erst letzte Woche wurde ein zweites Paket in Form einer Coronastiftung für den Arbeitsmarkt beschlossen, bei dem es um Qualifizierungsmaßnahmen nach Bedarf der Unternehmen geht. Und ein drittes Paket muss ein Konjunkturpaket sein.
Wann kommt das?
Ich hoffe, noch vor dem Sommer.
Gilt dafür das von der Bundesregierung ausgerufene Motto „Koste es, was es wolle“ oder kann sich das das Land nicht leisten?
Wir achten sehr auf unser Budget. Nach den Sparpaketen der letzten Jahre müssen wir auch jetzt eine Balance finden. Wir wissen, dass es mehr Unterstützung braucht, aber wir werden das Budget sicher nicht komplett aus dem Ruder laufen lassen können.
Viele Unternehmen haben geklagt, dass die ersten Auszahlungen in ihrer Höhe von wenigen Hundert Euro nicht mehr als die Blumen für ein Begräbnis waren.
Da ist in der Kommunikation etwas nicht optimal gelaufen. Der Härtefallfonds war immer dafür gedacht, dass der Unternehmer einen Beitrag zu seinen eigenen Lebenskosten bekommt, aber nicht, um das Unternehmen durch die Krise zu führen. Für Letzteres war immer der Fixkostenzuschuss gemeint. Den gibt es seit Mitte der Woche.
Erwarten Sie sich eine Entspannung?
Ja, weil genau das ein Grund war, warum sich Unternehmer beschwert haben, dass das Geld nicht ankommt oder es keines gibt. Die ersten Instrumente waren aber Überbrückungsfinanzierungen, auf den Fixkostenzuschuss haben viele schon gewartet.
Der Hilferuf der Unternehmen war auch deshalb so laut, weil die Eigenkapitalausstattung in den Unternehmen sehr dünn bis gar nicht vorhanden ist. Hat Sie das überrascht?
Dass es branchenspezifisch zum Beispiel im Tourismus so ist, hat man gewusst. Beim Handel ist es sehr unterschiedlich.
Wie tief sind Ihre Sorgenfalten, was den Tourismus betrifft?
Er ist sicher eines unserer größten Sorgenkinder. Aber wir tun unser Bestes und hoffen, dass uns unser hoher Anteil an Stammgästen gerade jetzt treu bleibt. Der steirische Tourismus hat nie mit „höher, lauter, größer“ geworben. Wir waren immer die herzlichen Gastgeber, die die Authentizität in den Vordergrund gestellt haben, wir haben viele familiengeführte Unternehmen, zu denen der Gast ein Vertrauen und eine Beziehung hat – all das kommt uns jetzt zugute.
Und wenn man Richtung Winter blickt: Wie sehr wird uns Ischgl nachhängen?
Wir haben schon im März wahrgenommen, dass sehr stark differenziert wird zwischen Ischgl und Schladming. Was freilich niemand sagen kann, ist, ob es eine zweite Welle und wieder Einschränkungen geben wird.
Wie will man als Politik dem Handel helfen, wo Unternehmen nach Umsatzeinbrüchen von 60 bis 100 Prozent jetzt Rabattschlachten befürchten. Oder muss das der Markt selbst regeln?
Der Druck durch den Onlinehandel hat sich massiv beschleunigt. Jene, die vorher schon auf eigene Onlineshops gesetzt haben, sind besser durch die Krise gekommen. Andere haben binnen kürzester Zeit welche aufgebaut. Die Konsumenten werden auch in Zukunft diese Annehmlichkeiten nutzen. Daher wird der Handel gut beraten sein, dieses Parallelangebot neben dem stationären Handel anzubieten und zu forcieren. Das Land bietet diesbezüglich auch Fördermöglichkeiten. Wir fördern zudem regionale Plattformen. Diese Dinge haben durch die Krise einen Schub bekommen.
Bleibt Fördergeld übrig, weil große Investitionen abgesagt oder auf Hold gestellt wurden?
Nein. Mit Stand Ende April wurde mit ganz wenigen Ausnahmen an den geplanten Investitionen festgehalten. Das umfasst insgesamt allein in der Wirtschaft Projekte in der Höhe von 310 Millionen Euro, die in Form von 80 Projekten bei der SFG in Bearbeitung sind. Dazu kommen noch einmal 100 Millionen Euro Investitionen im Rahmen von 100 Projekten im Tourismus. Es gibt also durchaus Lichtblicke.
Klaus Höfler