Wenn am Mittwoch (20.5) die Statistik Austria die April-Inflation bekannt gibt, stehen die Daten ganz im Zeichen der Coronavirus-Pandemie. Denn wie misst man die Preise für ein Schnitzel im Wirtshaus oder einen Friseurbesuch, wenn sich das Land mit Ausnahme von Supermärkten und Apotheken im Lock-down befindet. Die Statistiker waren quasi zur Improvisation gezwungen - man nennt dies Imputation.
"Unter Imputationen versteht man statistische Verfahren, mit denen fehlende Daten vervollständigt werden können", erklärte Bettina Führer von der Statistik Austria gegenüber der APA. Die Statistikbehörde will bei der Veröffentlichung des Verbrauchpreisindex (VPI) am Mittwoch ein besonderes Augenmerk auf die Methodik legen und die angewendeten VPI-COVID-19-Methoden transparent kommunizieren.
Die Statistik Austria misst die Teuerungsrate, indem sie nach einem gewichteten Warenkorb die Preisentwicklung verschiedenster Produkte und Dienstleistungen notiert. Wenn es nun wegen der Ausgangsbeschränkungen und den Geschäftsschließungen keinen Preis gibt, weil es auch das Angebot nicht gibt, kommen verschiedenste sogenannter Imputationsverfahren zur Anwendung.
Der Preis für einen Eintritt in ein Museum etwa wird einfach fortgeschrieben, weil sich der Preis nachweislich im April gegenüber März normalerweise nicht ändert. Dass Museen im April gar nicht geöffnet waren, wird von den Statistikern dabei ignoriert. Als Standardmethode bei der Imputation gilt, dass man fehlende Preise mit der durchschnittlichen Entwicklung der restlichen validen Preismeldungen fortschreibt. Auch Schätzungen oder Fortschreibungen mit dem Gesamtindex, also der allgemeinen Inflationsrate sind möglich.
Bei vollkommen weggefallenen Positionen mit stark saisonalen Mustern, zum Beispiel bei Flügen oder Pauschalreisen, werde vermutlich mit dem saisonalen Muster des Vorjahres imputiert, um den Einfluss dieser Positionen auf die Inflationsrate zu neutralisieren, erklärte Führer.
Rund ein Viertel betroffen
Der Leiter der Inflationsabteilung der Statistik Austria, Ingolf Böttcher, sagte im Gespräch mit der APA, dass im April rund ein Viertel der Positionen von Imputationen betroffen war. Alleine der Bereich Hotels und Restaurants habe eine Anteil von 11 Prozent am Warenkorb. Wenn es temporär nicht möglich ist, die Realität abzubilden, gehe es darum den Einfluss der Anomalie zu neutralisieren. Für die Statistik ist dies kein Neuland, kleinere Imputationen gebe es jedes Monat. Das Ausmaß im Zuge der Coronakrise sei aber in der Geschichte der Inflationsberechnung noch nie da gewesen.
Bei anderen großen Positionen des Warenkorbs, bei Mieten oder den Fixkosten für ein Auto sowie beim Einkauf von Lebensmitteln, habe es aber durch den Lock-down keine Änderungen gegeben. Die Konsumausgaben seien weiter angefallen und seien auch weiterhin erhoben worden, so Böttcher. Bei den Preisen für Bekleidung wiederum sei man bei der Erhebung auf Onlineshops umgestiegen.
Bei Lebensmitteln, wo sonst rund 80 Preiserheber in 19 Städten in Österreich in die Geschäfte gehen und die Preise von den Preisschildern ablesen und eintragen, sei man im April - auch um die Mitarbeiter vor einer Coronavirus-Infektion zu schützen - auf die Preisdaten an der Supermarktkasse umgestiegen. Damit sei verhindert worden, dass Statistik-Mitarbeiter stundenlang in den Geschäften stehen. Auch zumindest noch für die Mai-Inflation werden die Preise von Lebensmittel- und Drogerieeinzelhandel aus diesen Scannerdaten ermittelt. In spätestens zwei Jahren sollen die Scannerdaten ohnehin die physische Erhebung ersetzen. Die Verordnung dazu ist seit Dezember 2019 in Kraft.
Auf die Zusammensetzung des Warenkorbs, der die Grundlage für die Berechnung bildet, hat die Situation um Corona noch keine Auswirkungen. Der Warenkorb wird nur einmal im Jahr, im Dezember, an die Verbrauchsausgaben des Vorjahres angepasst. Ob zum Beispiel der zuletzt deutlich geringere Verbrauch von Benzin und Diesel den Treibstoff-Anteil im Warenkorb für nächstes Jahr senkt, sei noch offen. Grundsätzlich wolle man statistische Ausreißer und Extremeffekte abschwächen. So könnte man etwa statt des Vorjahresverbrauchs einen dreijährigen Durchschnitt hernehmen. "Die statistische Gemeinschaft diskutiert gerade, ob die gesunkene Nachfrage für Flugreisen die Gewichtung beeinflussen sollte", erklärte Böttcher.
Mehr theoretischer Natur
Allerdings ist es derzeit aufgrund der Krise ohnehin so, dass die Inflationsberechnungen mehr theoretischer Natur sind. Denn der von den Statistikämtern in der Eurozone genutzte Warenkorb zur Berechnung der Inflationsrate ist einer Studie zufolge in der Coronakrise ganz anders gefüllt - die Teuerung insbesondere für Lebensmittel könnte daher viel höher sein als angenommen. Wirtschaftswissenschaftler der Universität Hohenheim entwickelten zur Veranschaulichung ihrer These den "Chili-con-Carne-Index". Er zeigt: Die Zutaten für das beliebte Gericht verteuerten sich von Anfang Februar bis Mitte April um 6,0 Prozent - offiziell fiel die Inflationsrate in der Eurozone von 1,2 Prozent im Februar auf 0,7 Prozent im März.
Wie sich der Verbraucherpreisindex in Österreich im April entwickelt hat, gibt die Statistik Austria am Mittwoch bekannt. In den USA hat sich die Teuerung im April vor allem wegen stark fallender Energiepreise deutlich abgeschwächt. Besonders deutlich gingen im April die Benzinpreise zurück. Gegenüber März fielen sie in den USA um 20,6 Prozent. Dies dürfte vor allem Folge eines Einbruchs der Rohölpreise sein. Dagegen stiegen in Amerika die Lebensmittelpreise teils sehr deutlich an. Auf andere Güter hatte die Coronakrise einen tendenziell stark preisdämpfenden Effekt.