Die EU-Kommission rät für Passagierflüge in Zeiten der Coronapandemie zu einer Schutzmaskenpflicht. Auf eine von den Airlines abgelehnte Pflicht zum Freilassen von Sitzplätzen verzichtet die EU-Behörde jedoch, wie aus einem Reuters am Mittwoch vorliegenden Dokument hervorgeht.
Wenn Flugpassagiere in der Kabine künftig alle Masken tragen müssen, wird die Bewirtung schwierig. Ob und wie dann Getränke und Mahlzeiten serviert werden können, werde intensiv diskutiert, sagte der Generaldirektor des Dachverbands der Fluggesellschaften (IATA), Alexandre de Juniac, am Mittwoch in Genf. "Es werden Lösungen diskutiert, zum Beispiel, dass nichts serviert wird", sagte de Juniac. Auf längeren Flügen sei das schwierig. Dort werde überlegt, nur vorher ganz verpackte Mahlzeiten auszugeben, um das Risiko von Ansteckungen bei der Essensausgabe zu reduzieren.
Debatte um freien Mittelsitz
Bei der AUA-Mutter Lufthansa ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes schon seit Anfang Mai vorgeschrieben. Auch der größte europäische Billigflieger Ryanair kündigte das an. Überlegungen zu einer Pflicht, einen Platz zwischen zwei Sitzen frei zu lassen, kritisierte die mit am schwersten von der Coronakrise betroffene Branche aber.
Zum erhofften Neustart regulärer Flüge im Juni werden die Flugzeuge zwar ohnehin noch leer genug sein und viel Abstand zwischen den Passagieren ermöglichen. Obligatorisch Zwischenplätze freizuhalten würde aber die Kapazität bei steigender Flugnachfrage begrenzen, sodass die mit hohen Verlusten kämpfenden Airlines noch mehr Mühe hätten, Geld zu verdienen.
Schlangen vor Toiletten vermeiden
Die EU rät nun zu Maßnahmen gegen die Ansteckungsgefahr, die in Flugzeugen nach Darstellung von Lufthansa, Ryanair oder TUI sowieso schon gewährleistet sind. So sollen die Klimaanlagen die Luft so gut filtern, wie es in Krankenhäusern üblich ist. Die Airlines argumentieren, die vertikale Belüftung jedes einzelnen Sitzplatzes verringere schon in Verbindung mit den Schutzmasken die Ansteckungsgefahr ausreichend. Passagiere sollen in den Flugzeugen gut verteilt werden, wenn genug Sitzplätze frei sind.
Ein enges Aufeinandertreffen, etwa beim Schlangestehen vor der Flugzeugtoilette, soll vermieden werden. Ryanair kündigte an, die Fluggäste dürften nach Anmeldung bei den Flugbegleitern nur einzeln zu den Waschräumen gehen. Das alles dämme die Ansteckungsgefahr ein, wenn Abstandsregeln nicht völlig eingehalten werden könnten, erklärte die EU. "Sitze frei zu lassen, um die physische Distanz im Flugzeug zu erhöhen, wird deshalb nicht empfohlen."
Wie bei Reiseveranstaltern will die EU auch bei Fluggesellschaften die Pflicht zur Rückerstattung von Tickets bei Stornierungen nicht abschaffen. Stattdessen sollen den Verbrauchern Gutscheine durch eine längere Gültigkeitsfrist und das Beibehalten oder Verbessern von Konditionen und Preisen schmackhaft gemacht werden.
Schnelle Einigung gefordert
Der Dachverband drängt auf eine schnelle Einigung auf Sicherheitskonzepte, um den Flugbetrieb wieder starten zu können. Bis Ende des Monats dürften Lösungen auf dem Tisch liegen, sagte de Junaic. Der Verband befürwortet unter anderem eine Maskenpflicht an Bord, Gesundheitsformulare und Fiebermessen. Der Generaldirektor kritisierte Maßnahmen wie in Großbritannien, wo ankommende Passagiere für 14 Tage in die Quarantäne sollen: "Unter solchen Bedingungen ist die Rückkehr zu internationalen Reisen nicht möglich."
Der Flugverkehr erhole sich langsamer als die Wirtschaft insgesamt, schätzt der Verband. Ökonomen haben nach dem schweren Konjunktureinbruch in diesem Jahr schon für 2021 eine Rückkehr zum Wirtschaftsniveau vor der Coronaviruskrise vorausgesagt. In der Passagierluftfahrt dürfte das länger dauern, meinte IATA-Chefökonom Brian Pearce. Er geht davon aus, dass die Personenkilometer (RPK) selbst 2025 noch zehn Prozent unter dem bei der letzten Prognose vor der Coronakrise erwarteten Niveau liegen werden. Das liege unter anderem daran, dass Passagiere sicher zunächst eher im heimischen Markt unterwegs sein und kürzere Strecken zurücklegen würden, sagte Pearce.